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Der
Mensch ist frei aus Zwang, ob er will oder nicht.
José
Ortega y Gasset
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Es gibt Augenblicke,
in denen ich sehr müde bin. Jetzt ist so einer. Müde und schlaflos
spät in der Nacht.
Aber dann höre
ich das leise Atmen meiner schlafenden Kinder, und es stellt sich für
einige Momente das Gefühl ein, die Welt sei am Ziel. Was soll das
Leben ohne dies.
Da mein Freund
Rüdiger tot ist, möchte ich noch einmal, auch auf dieser Seite
und um ihn zu ehren, den Link über die Entstehung unserer letzten
gemeinsamen CD und das letzte Konzert hierher stellen. Ich glaube, das
ist zumindest für Musiker sehenswert. Idou ist übrigens griechisch
und heißt so viel wie "siehe!"
idou erchetai
meta ton nephelon... Siehe, er kommt aus den Wolken... Das ist auch
der Anfang des grausigsten Kapitels aus Christoph Ransmayrs Roman "Die
letzte Welt", der an sprachlicher Gewalt der Apokalypse nicht nachsteht.
Film-Link:
dakota-idou
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Ein
Entwurf
Und so beginnt
Sein Weg in die äußerste Einsamkeit, an das Schwarze Meer.
Während aber noch Publius Ovidius Naso fünfzehn Mal achthundert
Zeilen in Hexametern allein in den Metamorphosen hinterließ sowie
viele andere Werke, ganz zu schweigen von seinen taghellen Liebesgedichten,
ist Seine Bilanz ausgesprochen kümmerlich: Vergängliches,
Tagwerk, Erledigungen. Dinge des Inhaltes also, den man so Gespräche
nennt, was aber diese Bezeichnung nicht wert ist. Aber einen Unterschied
gibt es zwischen Ihm und dem Römer: er hinterlässt tägliche
Spuren, deren einziger Sinn ihre eigene Verschleierung, die Kalypse
(kalyptein = verbergen) ist.
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Auf Seinem
Weg stellt er fest, dass Einsamkeit kein äußerer, sondern
ein innerer Zustand ist, der auch nur von innen her durchbrochen werden
kann. Dass es niemand Zweitem obliegt, die Mauer zu überwinden;
dass also, wenn sie nicht von innen her geöffnet wird, die Einsamkeit
endgültig und damit tödlich sein wird. Er stellt ebenfalls
fest, wie unermesslich der Unterschied ist zwischen den Menschen, denen
er die Tore geöffnet hatte und denen, zu denen alles blieb, wie
es war: dazwischen lag ein allerdings nicht beschreibbarer, aber großer
Raum. Und er hatte die Tore in der letzten Zeit nur noch selten geöffnet,
manches Mal war die Stadt auch trotz geöffneter Tore nicht betreten
worden.
Seine eigenen
Bedingungen sind ihm unbekannt, und er wundert sich über die Ferne,
in der er lebt, ohne dass es ihm bisher besonders aufgefallen ist. Er
spricht von vielen Regungen seiner Mitmenschen wie vom Hörensagen,
als verstünde er sie nicht: nach dem Sinn des Lebens habe er sich
nie gefragt, er sei ihm im Grunde auch egal; der Tod schrecke ihn nicht,
Angst vor dem Tode sei ihm unbekannt; negative Gefühle kenne er
nicht, allerdings Unbehagen, das er jeweils zu beseitigen sucht. Gelinge
ihm dies nicht, so sei klar, worauf das hinaus laufe.
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Nebel, das
ist, worin er geht. Seine Motive sind so unklar. Was bewegt uns? Sind
wir es selbst oder werden wir verschoben wie Schachfiguren auf dem Feld?
Wie sind die Regeln? Wer ist der Spieler? Gewissen? Wille? Entscheidung?
Gier? In welchen Verhältnissen? So oft er die Perspektive wechsle,
bekomme er erneut ein stimmiges Bild. So also frage er sich: was sind
die Grundlagen seiner Entscheidungen? Was denn sind Seine Bedingungen?
Kann er selbst sie bestimmen wie er will?
Schnecken
vergehen mit einem unirdischen Geräusch unter dem Regen, dem Nebel
aus Essigsäure, der ihre nackten Körper auflöst und sie
zurückgibt an die Welt.
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Manches Mal
sei die Phantasie, die zugleich unsere größte Gabe sei, unser
größter persönlicher Fluch, weil sie uns alles hinhalte,
so sagt er, was zu sehen wir nie beschlossen hätten, hätten
wir die Wahl. Kaum also schließe er die Augen, so tue sich vor
Seinen Augen ein Bild auf, das alles Handeln unmöglich mache. Und
als sei dieses Bild die letzte Aufforderung für ihn, hebe er ab,
hinaus in die lichtlose und leichte Unendlichkeit.
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Exzenter
Fragmentierung
Tomi, die
Stadt am Schwarzen Meer
Nebel wünsche
er sich, die Aufteilung in unzählbare Myriarden von Partikeln bewegen
sich, das Vergessen in der Gestaltlosigkeit von Nebeln, darin enthalten
die Wärme der in Bewegung versetzten Wasserteilchen übertrage
sich auf einen erlöschenden Körper und Geist, das sei, was
bleibe, ein Licht noch erstrahle vom Grunde und rufe hinauf: hier ist
Heimat, hier ist Stille.
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Leicht ist's
folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.
Aber abseits, wer ist's?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen,
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.
Ach, wer heilet die Schmerzen
Des, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank!
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ung'nügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter,
Vater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Öffne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste!
J.W.Goethe,
Fragment aus "Harzreise im Winter"
Da er aber
blind geblieben war, sah er die Quellen nicht. Und das Wasser, das er
sah und das er trank, war brackig geworden und tot wie das Wasser der
Pest, die den saronischen Golf überzog. So verbiss er sich letztlich
wortlos in seine Hand und trank sein eigenes Blut, sein Durst jedoch
blieb ungestillt.
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... manchmal
dann besser, allein zu sein und kein Wort mehr zu sagen ...
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wo sind meine
kinder. wo ist das lachen.
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Es fehle
ihm die Fähigkeit, das emotionale Durcheinander angemessen zu beschreiben,
das aus auch nur vorübergehendem und doch vertrautem Verlust resultiere.
Die hätte ihm vielleicht helfen können, dieses Chaos in handliche
Portionen zu verpacken. So bleibe nur das Bekenntnis der Sprachlosigkeit,
das dann auch peinlich breit gerate. Denn die Antwort "aber dann
halt doch einfach die Fresse" läge so nahe. Es stünden
ihm aber in letzter Zeit fast nur noch Zitate zur Verfügung. Und
auch dieses hier sei nur Gerede:
"Sie
haben von meinen Gefühlen doch gar keine Ahnung." - "Sie
bieten nur Klugscheißerei, fehlt nur noch, dass Sie mich ermahnen,
mich mal ein bisschen zusammen zu reißen."
Tatsächlich
dem Tenor dieser Sätze hinterherfühlend stelle er fest, dass
die oberste Schicht gebildet werde von unbändiger Wut. Wogegen?
Er wisse es nicht und oberflächliche Antworten wie "gegen
diesen oder jenen" interessierten ihn nicht. So sei wohl erst einmal
diese Schicht abzutragen.
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Albträume.
Jede Nacht Albträume.
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Seine Geschichte
sei die der Exile, der Zerstörung aller Verwurzelungen. Es sei
die Geschichte all dessen, was ihn zu einem Fremden in dieser Welt,
zu einem Gast in seiner eigenen Familie mache. Indem dieser Prozess
sich schleichend und langsam vollzogen habe, sei er seiner Wahrnehmung
mehr oder weniger entgangen, wodurch ihm lange Zeit die Sprache gefehlt
habe und im Grunde immer noch fehle. Er wurde seiner Sprache enteignet
durch die gymnasiale Sozialisation, seiner Lieder durch die Schlagermusik,
seiner Liebe durch die Kalkulation, seiner Körperlichkeit durch
die Lüge und die Massenpornographie, seiner Stadt durch die Ordnungskräfte
und die Reklame, seiner Freunde durch Regeln, Moral und Erwartung. Und
durch digitale Netze. Er lebe in einem Volk von Fremden, in einem Netz
von Kollegen, Kontakten, Kumpeln oder Beziehungen. So ziemlich alles,
was dieses Netz noch erfüllen könnte, liege im Sterben.
Es wäre
Zeitverschwendung, alles aufzuzählen, was in den bestehenden sozialen
Beziehungen im Sterben liege. Man sagt, dass die Familie wiederkommt,
dass die Paarbeziehung wiederkommt. Aber die Familie, die wiederkommt,
ist nicht diejenige, die weggegangen war. Sie ist nur eine Vertiefung
der herrschenden Trennung, über die sie hinwegzutäuschen hilft,
worurch sie selber zur Täuschung wird. Jeder Mensch kann die Traurigkeit
bezeugen, die die Familienfeste Jahr für Jahr kondensieren und
sich niederschlagen lassen, diese mühsamen Erinnerungen, synthetische
Engel mit Computerstimme, diese Verlegenheit, weil man sieht, wie alle
vergeblich simulieren; dieses Gefühl, dass da, auf dem Tisch, ein
Kadaver liegt und dass alle so tun, als ob nichts wäre.
Zugleich
aber sei ihm die betrügerische Absicht hinter den vielen Worten
bewusst: über seine allertiefste Niederlage hinwegzutäuschen.
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Heute wird meine Tochter
Sina-Tabea 16 Jahre alt. Ich habe sie jetzt auf die Minute genau 12
Jahre und 43 Minuten nicht mehr gesehen.
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So sehe er
sich zuletzt genötigt, alternative Formen zu suchen, andere Worte
oder Wege oder WeißichumHimmelsWillendochauchnicht noch mal (er
erkenne Sich da doch schließlich auch nicht), die er hier jedoch
nicht finden könne aus genannten Gründen. Das setze ihn, so
sagt er, endgültig aus in einer terra incognita, er sehe sich nun
also konfrontiert mit der fast unvermeidlichen Niederlage, die er eigentlich
habe vermeiden wollen. Die seine tiefste Schande bedeute, die nicht
zu leugnen sei und nur zu verbergen zwischen all dem Wolkenwust an Zeilen
wie der Wunsch zu töten, einmal und noch einmal die Zähne
zu schlagen in Fleisch, in nacktes und wehrloses, unschuldiges, träges
und trügerisches Fleisch verdammt, ein wildes, schreiendes und
hungriges Tier, so wie er dem elenden, vorrückenden Zeiger hinterherlaufe
in schweißiger Hatz und obwohl er ihn doch vorantreibe und ihn
nur anzuhalten brauche dann aber kein Sinn mehr darin sei ihn noch einzuholen,
was soll denn diese Unruh, wer schließlich zur Hölle treibe
ihn denn voran... Aber es gebe ja noch Zeugnis aus der anderen, aus
der neuen Welt. Woher? Er wisse es nicht. Alte Menschen, alte Kulturen,
Unausgesprochenes, der Schamane im blinden Land, zwischen den Zeilen
zu Lesendes; die Witterung aufnehmen, suchen. Schweißspur. Blutspur.
Bluthunde. Die Meute hole ihn ein. Jeden Abend, jede Nacht.
So also,
um den Anfang des letzten Absatzes wieder aufzunehmen, die Notwendigkeit,
sich auf die Suche zu machen nach einer neuen Form, um all dem Unsinn,
all dieser Zeitverschwendung und Lebensverschwendung und Energieverschwendung
Einhalt zu gebieten. Er sehe sich auch noch genötigt, um Verzeihung
zu bitten, um Verständnis zu bitten, er fühle sich wie ein
großes Schiff in kleinem Hafen, unwissend um seine eigenen Dimensionen,
er müsse wenden, nein er müsse erst noch lernen, nun was denn,
nun er habe sich verfahren, er könne nur hoffen, dass es ihm letztlich
noch gelinge, offene See zu erreichen, damit er Fahrt aufnehmen könne.
Letztlich.
Um was zu
erreichen?
Mutter, Mutter.
Wohin geht die Reise.
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Blind. Ein
kleines Wort, und er sei blind geworden und taub. In sich selbst versiegelt,
rückwärts hinabgestoßen. Berührbar sei er wie nur
das nackte Fleisch der Seele, so dass ein einziges Wort die Macht habe,
ihn zu versiegeln wie eine Flasche Amontillado, Fortunato am Grunde
des Grauens alternd in der Grube und unter dem Pendel der Zeit. Blind
mit kalten Tränen, bitteren Tränen, erhebe er die Klage, ihm
seien Seine Farben abhanden gekommen, eine Klage aber, die niemand mehr
höre, da er ja taub (er vermutet, er habe das bereits erwähnt
und langweile den werten Leser nicht) geworden sei und die Kontrolle
auch über seine Stimme verloren habe. Gebe ihm doch niemand Zeichen,
Luftorakel wenigstens, ratlose Gesten als wolle ein Irrer die Luftgeister
beschwören oder einen Tanz mit Unsichtbaren tanzen, die er deuten
könne als ein zu laut oder ein zu leise. Das Schlimmste aber sei
der Verlust der Stille. Kein Wort erreiche ihn am Grunde, es sei unterschiedslos
kein Wort, kein Laut, und so sei Alles ein Laut, er habe den Verlust
von Welten erlitten. Verloren: Licht, Laut, Luft und alles, was sie
mit sich trügen, jeden Duft, jede Bewegung, die Sprache der Welt,
die uns bis in die hintersten Winkel verfolge, verloren schließlich
sich selbst und anheimgegeben einer verfluchten Ewigkeit, an den Fels
gekettet wie nur Prometheus. Nur was könne er vorweisen! nicht
einmal das Licht. Eifersüchtige Strafe der eifernden Götter
der Idioten, deren Tempel er nicht rechtzeitig erkannt und folglich
nicht zerstört habe. So berichtete er mir.
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Stille. So
viel Stille. Eine wind- und luftstille Nacht, morgens um drei zur dunkelsten
und stillsten Zeit des Tages, nachts im Wald bei Neumond. Es gibt eine
Stille.
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Angewöhnt
habe Er sich den Gedanken, dass den Menschen die Fähigkeit zu eigen
sei, zu entscheiden, ob Schmerz ein sinnloses Ereignis sei oder ob er
sich entscheiden wolle, ihm einen Sinn zu geben, indem er ihn etwa nutze
für sein persönliches oder menschliches Fortkommen. Ob er
ihn also dem Konto Lebenserfahrung gutschreiben könne. Neuerdings
aber habe er die Erfahrung machen müssen, dass dies nicht für
jeden Schmerz gelte, da sich Schmerzen wiederholen können, und
selbst langanhaltender Schmerz werde irgendwann nutz- und sinnlos, reine
Qual, die keinerlei neuen Aussagewert mehr habe, so dass es nur noch
gelte, ihn auszuhalten.
Hier nun
trete eine neue Fähigkeit ins Leben ein: die, zu fragen, ob denn
das noch gewollt sei.
Machen
die sich etwa voll vor Lachen?
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Aber welches
Wort, so frage Er sich, gebe denn das wieder: das Alleinsein, die Sehnsucht,
die Unerfüllbarkeit. Das sei nicht einfach ein Versuch, sondern
Ausdruck einer existentiellen Not: vor welchem dieser Worte verkomme
denn nicht alles andere zu Asche, uninteressanter Lächerlichkeit
und Gleichgültigkeit. Anteilnahme sei lächerlich, weil eben
einige Erfahrungen für den Rest des Lebens einsam machten, da niemand
mehr sie teilen könne und sie doch aber im Zentrum der Ereignisse
des Individuums stünden. Unüberwindbar? Vielleicht nicht,
wer weiß, und wenn doch nicht, also überwindbar zu welchem
Preis? Wäre der dann die letze Demütigung? Der Beweis, dass
alles halb so wild, banal im Grunde und leichthin zu verwinden sei?
Doch es bleibt eine Stelle, da wächst nichts mehr.
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Wir seien,
so sagt Er, aufgeklärt, allerdings sei uns nicht wohl dabei. Wenn
Aufklärung der Ausweg aus selbstverschuldeter Unmündigkeit
sei, so müssten wir zugeben, sie sei gescheitert. Der Markt habe
uns fester im Griff als je eine Kirche. Er habe uns Preisschilder angenäht
und die Würde genommen, jedem von uns. Nonkonfomismus sei die geforderte
Form, Kasperei eine anerkannte Kunstform geworden. Gleichzeitig sei
die rationale Zurichtung der Welt unauflösbar an ein erhebliches
Maß an Irrationalität geknüpft, für das wir aber
geblendet seien. Wir züchteten die genetisch veredelte Turbokartoffel,
aber jeden Tag verhungern 30.000 Menschen. Wir bohrten Meeresböden
auf und ertränken im Öl, wir holzten Wälder ab und ließen
die Natur veröden, bis Ökosysteme kippen und Arten sterben.
Ja, tatsächlich machten wir uns die Natur so sehr untertan, dass
sie japsend unter uns zusammenbreche. Oder wir lieferten uns einer Technologie
aus, die uns vernichtet, wie wir es gerade in Fukushima erleben. Woher
der Stolz auf diese Form von Vernunft rühren soll, sei ihm schleierhaft.
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Vielmehr
hege er Sympathien für eine andere Vernunft:
... dass
sich bei ihm der Eindruck eingeschlichen habe, es gebe wohl ein Lot
zwischen Nähe und Distanz, das ihm aber völlig abhanden gekommen
sei. Er habe in der Abfolge seiner Verluste jegliches Gleichgewicht
verloren, und indem er sich dort wiederfinde, wo er sei, finde er auch
den Sinn verloren für Mitteilungen über das eigene Befinden.
Er erkenne an, dass es ein fundamentales Bedürfnis seiner Mitmenschen
sei, sich dem Nächsten mitzuteilen, ihn teilhaben zu lassen an
seinen Gefühlen, Gedanken und Befindlichkeiten. Trainiert aber
in der äußersten Einsamkeit erledige sich der Sinn solchen
Tuns. Reflexe, sozusagen zeitferne Echos dieses Handelns seien ihm wohl
vertraut, er aber vertraue ihnen ganz und gar nicht mehr. Er wisse nicht mehr, was zu tun sei.
Heimweh
Ich kann die Sprache
Dieses kühlen Landes nicht
Und seinen Schritt nicht gehn.
Auch die Wolken, die vorbeiziehn,
Weiß ich nicht zu deuten.
Die Nacht ist eine Stiefkönigin.
Immer muß ich an die
Pharaonenwälder denken
Und küsse die Bilder meiner Sterne.
Meine Lippen leuchten schon
Und sprechen Fernes,
Und bin ein buntes Bilderbuch
Auf deinem Schoß;
Aber dein Antlitz spinnt
Einen Schleier aus Weinen –
Meinen schillernden Vögeln
Sind die Korallen ausgestochen,
An den Hecken der Gärten
Versteinern sich ihre weichen Nester.
Wer salbt meine toten Paläste
–
Sie trugen die Kronen meiner Väter,
Ihre Gebete versanken im heiligen Fluß.
e l-s, 1910
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Fast zehn Monate hat meine Homepage geruht, in dieser Zeit habe ich vollständig von Windows auf Mac umgestellt. In Zukunft ist wieder mit mehr Beiträgen von mir zu rechnen.
In diesen 10 Monaten ist vergangen: der 17. Geburtstag meiner Tochter Sina-Tabea, der 16. Geburtstag meines Sohnes Till-Adrian, Ostern und Weihnachten sind da schon egal, und eine ganze Reihe von Ideen, die ich festgehalten habe in unterschiedlicher Form.
So, nun werd ich hier mal einen Link einstellen, auf dem man, wenn man will, meine neuesten musikalischen Erzeugnisse hören kann. Das sind zur Zeit 5 Stücke Musik, die in nächster Zeit zu einer CD zusammengefasst werden. Sollte jemand das hören und Fehler entdecken, so nehme ich Nachricht entgegen. Und dies hier ist der Link. Sollte es dir gefallen, so bitte ich danach aber immer noch um Kauf der CD, weil es nämlich auch noch ein schönes Cover dafür gibt, ich hab jetzt eine neue Idee. Die wird dir bestimmt auch gefallen. Aber wenn es so weit ist, mache ich hier natürlich einen Riesen-Trara. Das wird nämlich ein Ding... Das wäre dann meine erste vollständig eigene CD, alles selber gespielt und gesungen, Texte selbst ausgesucht und so weiter.
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Heute wäre mein Freund Rüdiger 60 Jahre alt geworden. Ist er aber nicht. Und so haben wir uns mit etwa 20 Männern getroffen, die mit ihm zu Lebzeiten Dinge gemacht haben, die die Welt noch nicht gehört und gesehen hat. Und dann haben wir Musik gehört und Filme gesehen, die wir zusammen produziert haben, an denen er mitgearbeitet hat, die er mit seiner unermüdlichen Energie vorangeschoben hat, die ohne ihn nicht entstanden wären. Und alles in allem: er war ein Großer. Er fehlt mir.
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Nach 13 Jahren. 3 Monaten und 9 Tagen habe ich im Internet die ersten Spuren von einem meiner Kinder wiedergefunden. Unter Namen, die ich niemals hätte raten können. Es ist bemerkenswert, dass es nahezu nicht möglich ist, solche Spuren als Spuren eines anderen Menschen zu entdecken, in erster Linie sind es wir selbst, die wir entdecken. "Wir sehen uns selbst mit den Augen des Anderen. Als sie starb, wurde er blind. Aber als er sah, dass er blind war, konnte er sehen." (Frankl) Suchen wir Spuren, so finden wir sie, aber es sind immer nur unsere eigenen Spuren. Suchen wir sie aber mit den Augen, so sind wir wie die Touristen, die zerstören, was sie suchen, indem sie es finden.
Der Schlüsselsatz des unnennbaren Elends, das sich einstelle angesichts verlorener Kinder, so sagte Er, sei unbegreiflicherweise "er hätte den Mond zerdrückt mit seiner großen Hand". Das sei, was ihm einfalle, wenn er gefragt werde. Hier sehe er das Risiko wohlfeiler Antworten liegen, denn obgleich ihm die Antwort schon bekannt sei, habe er doch schon an dieser Stelle der Frage, was denn das bedeuten solle, keine Antwort entgegenzusetzen. So seien selbst fertige Antworten der größere Feind des Verstehens. Zu verstehen sei es letztlich, so sagte Er, eh nicht. Und damit habe jeder Versuch, es in Worte zu fassen, ein Ende. Das sei in seiner zur Unzulänglichkeit neigenden Sprache nicht mehr zu bewältigen.
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Am 12.3.2007 habe ich meinen persönlichen B-Loq1 damit begonnen, dass ich folgenden Text veröffentlicht habe: "Nach 8 Jahren, 3 Monaten, 2 Tagen, 1 Stunde und 40 Minuten bekomme ich Nachricht über meine Kinder. So lange habe ich nichts von ihnen gehört. Wer nichts davon versteht, sagt: Oh, das ist ja wunderbar. Ham Sie ne Ahnung...! Das ist auf Hochdeutsch gar nicht zu bewältigen." Nichts ist seit damals passiert, und wer meine Geschichte kannte und auf ein happy end hoffte, wurde erwartungsgemäß enttäuscht. Ich kann jetzt eigentlich nur noch darauf warten, dass die Kinder, eines nach dem anderen, 18 Jahre alt werden. Und sehen, was dann geschieht. Die Tragfähigkeit und Tragwilligkeit des Menschen ist begrenzt.
Heute, gut fünf Jahre später, sind wir uns wieder einen Schritt näher gerückt, ich habe Spuren im Internet gefunden, und es hat wieder und noch immer keinen Kontakt gegeben. Versuche versanden. Es ist im Endeffekt egal, was passiert, es ist so gekommen, wie ich ganz am Anfang des Verlusts meiner Kinder vorausgesagt habe: es macht keinen Unterschied mehr, weil wir uns verloren haben. Wir teilen keine fiebrigen Nächte und keine Erinnerungen. Die ich habe, blieben mir allein.
Und alle, die alles so tröstlich gemeint haben, kriegen hier und heute die Bestätigung von mir: alles Hoffen ist für die Narren. Lasciate ogne speranza, voi ch'entrate. "Ihr, die ihr eintretet (in den siebten Kreis der Hölle), lasst alle Hoffnung fahren." Ja, es ist besser so, und es ist mir heut nicht mehr begreiflich, warum das über dem Tor zur Hölle steht, ist es nicht vielmehr der Eintritt ins Paradies!
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Ausgesprochen bedauerlich finde Er, dass dem Menschen so jede Fähigkeit abgehe, auch nur für die geringste Zeit die Welt mit den Augen des anderen zu sehen: wie sehe diese Welt aus für das Kind, wie für den Sterbenden, wie für diese bekannte Person, wie für den besten Feind, wie für den Schlafenden, dessen Haar sanft sich auf und ab wiege in der Ellenbeuge des Vereinsamten. Vor allem aber: wenn der ANdere eben diese Welt mit den Augen des Schreibers sehe, die Augen dann zurückkommen aus dem Kopf des ANderen und berichten, was sie im Universum des ANderen angerichtet haben, dann, ja dann sei er an Ergebnissen interessiert. Warum dies? Weil es oft zu unerträglich sei, wie Er kommentiert oder beurteilt werde, und es sei doch aus dem Urteil nicht mehr zu sehen als die Blindheit des Urteilenden.
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There's a story in an ancient play about birds called The Birds
And it's a short story from before the world began
From a time when there was no earth, no land.
Only air and birds everywhere.
But the thing was there was no place to land.
Because there was no land.
So they just circled around and around.
Because this was before the world began.
And the sound was deafening. Songbirds were everywhere.
Billions and billions and billions of birds.
And one of these birds was a lark and one day her father died.
And this was a really big problem because what should they do with the body?
There was no place to put the body because there was no earth.
And finally the lark had a solution.
She decided to bury her father in the back of her own head.
And this was the beginning of memory.
Because before this no one could remember a thing.
They were just constantly flying in circles.
Constantly flying in huge circles.
listen: Laurie Anderson
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Der Vatikan hat im April 2007 beschlossen, dass ungetaufte Kinder ins Paradies dürfen. Diese Kuttenträger mit den toten Augen, verdorrten Händen, eingefrorenen Gesichtern und dem bigotten Geist, diese herzlosen Dreckskerle sind im Glauben überzeugter Katholiken im Besitz des Schlüssels: extra ecclesiam nulla salus. Aber die Vorstellung, wie viele Brote man bei ebay ersteigern könnte, wenn man deren ganzen rotgoldnen Tand verkaufte und deren Aktien zu Geld machte...!
Dieser Beschluss zur Abschaffung des Limbus ist nun schon eine Weile her, und der Sozialplan für die arbeitslos Gewordenen steht selbstverständlich, bei vollen Bezügen. Nur bei den leidenden Eltern so verstorbener Kinder wird sich nie einer von diesen Heiligmännern entschuldigen und glühende Asche auf sein Haupt tun. Und dort lassen. Das Purgatorium tragen sie in sich, und da sie zu den Unausrottbaren gehören, wird es ihnen noch lange erhalten bleiben. Ich wünsche ihnen ein langes, ein sehr langes Leben.
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Heute ist der zweite Todestag meines Freundes Rüdiger. Ihm zu Ehren habe ich ein Stück Musik neu aufgenommen, das wir vor vielen Jahren gemeinsam mit unserem Freund und Bassisten Bocki eingespielt haben. this one is to him.
shadows
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... und so ein Mensch hat Kinder.
doch wird es Tag und solch ein Tag bleibt ganz.
Und er hat Stunden. Keine aber weckt
das Leben zum Gebet und keine schreckt
die Sünde, keine mahnt und keine klagt
und keine dumpf ihr vivos voco sagt
und keine Glocke weint ihr mortuos plango.
Das Leben starb. Die Mörder tanzen Tango.
Es ist nicht mehr lange hin. Ihr Leute, seid gewiss, ich habe soviel lange Jahre nichts vergessen. Mein Wunsch, ihr möget lange leben, gilt wie in der ersten Stunde.
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Die weibliche Verwandte meiner Kinder hat mir nach vierzehn Jahren geschrieben. Anfang Juni.
Hallo Thomas,
Sina und Till beenden in Kürze ihre Realschulzeit. Am letzten Donnerstag im Juni ist die feierliche Zeugnisübergabe. Schon am 23. Juni ist über die Mittagszeit ein Infoabend bei der Berufsfachschule. Die Anmeldezeit ist knapp. Die Berufsfachschule bringt neben Schulgeld ebenso Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten mit sich (weil auswärts); wäre jedoch ein Garant für einen Berufseintritt gleich im Anschluss. Alternativ dazu steht ein Jahr der Berufsorientierung mit Praktika zur Auswahl, jedoch ohne Garantie eines Ausbildungsplatzes etc.
Neben den Interessen, beruflichen Neigungen und zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für Sina und Till sind ebenso die elterlichen Möglichkeiten zum Betreuungsunterhalt und zum Barunterhalt zu berücksichtigen. Wir beide sollten uns deshalb zu einem Gespräch treffen. Wie ist deine Antwort dazu?
Die Kinder würde ein Kontakt mit dir auch persönlicher Art freuen. Wie ist deine Antwort dazu?
Viele Grüße!
S. & Kids
PS: Bitte bestätige, dass dich diese Mail erreicht hat. Danke.
Wenn ich nicht zu müde wäre, darauf zu antworten...! Ich werde nicht jünger und kann ja nicht jedes Mal ein neues Buch anfangen.
Und wieder einmal werden meine Kinder belogen und betrogen. Was ich allerdings als Beleidigung empfinde, ist die Annahme, man könne mir so etwas schicken, und sei es auch nur per Mail. Vierzehn Jahre später! Ich komm da gar nicht drüber weg. Da tun sich Abgründe auf.
Das Mensch verletzt meine Kinder, lügt sie sich und ihnen selbst zu Schanden und sendet mir nach einem jovialen "Hallo Thomas," dann "Viele Grüße!". Viele. Schon einer ist zu viel, da muss der Mensch schon Panzerechse werden, aber dann gleich viele! Und dann auch noch mit Ausrufungszeichen, dass ich's nur nicht übersehe. Ich kann ja sogar das lesen, was gar nicht da steht, aber die Grüße werden ausgerufen.
Möge mal irgendjemand, der mich kennt, sich fragen, ob das die Art ist, wie man mit mir spricht.
Was ich aber vollends nicht verstehe, ist das "auch" in der persönlichen Art. Ein auch verweist auf etwas Zusätzliches, etwas, was hinzukommt. Vierzehn verdammte Jahre eine Lüge und die Verlassenheit der Kinder aufrecht erhalten, und dann schreibt mir das "auch persönlicher Art".
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Hier: https://soundcloud.com/thomas-sounds
Hier ist ein Link, der zu meiner CD führt. Ich freu mich wie ein Schneekönig über jeden Hörer und jedes "like". Und runterladen könnt ihr die Musik auch, aber ich freu mich auch, wenn ihr den Link zu euren Favoriten hinzufügt und ab und zu mal reinhört.
Nachträglich am 9.6.13: Da ich einen Plattenvertrag habe, sind die Stücke wieder runtergenommen.
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Ich habe eine unerwünschte Information: Auch mit der Hilfe von Mediatoren ist die Beziehung zwischen verlorenen Kindern und dem verlorenen Elternteil nicht mehr herzustellen, wenn der Elternteil wegen Verleumdung in die Verbannung ging. Der toxische Glaube hat sich von dem verbliebenen Elternteil auf das Kind bzw. die Kinder übertragen.
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Ich muss gestehen, dass mir all diese Highschool-Schießereien, Amokläufe und versehentlichen Tötungen anderer auch durch Kinder egal sind: diese ganze so waffenfreudige Gesellschaft erntet, was sie säht. Wer mir dabei noch am meisten leid tut, sind die Kinder, die durch ungesichert herumliegende Schusswaffen zu Mördern an Eltern oder Geschwistern werden, denn mit diesem Elend müssen sie jetzt ein Leben verbringen.
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