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Die
Wüste wächst.
Friedrich
Nietzsche
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Besonders prima ekelhaft
ist es, nach den Nachrichten zu sehen, dass Menschen im Rausch medialer
Selbsüberschätzung im australischen Urwald ekelhafte Dinge
tun, um so hier in Deutschland andere Menschen zu unterhalten und
ihr Image aufzubessern. Das funktioniert! Es ist frappierend und erfüllt
mich immer wieder mit Erfurcht, wie weit der freie Entschluss zur
Selbstverblödung Menschen treiben kann. Die machen das freiwillig.
Wir sehen das freiwillig. Niemand nötigt uns, nur wir selbst.
Besonders
prima albern an allen Propheten den Apokalypse ist, dass sie sich
für eine Ausnahme halten und sich nicht vorstellen können,
dass auch alle anderen Propheten, die sich bisher schon geirrt haben,
sich für die Ausnahme halten, die es dieses Mal aber schon recht
machen werden.
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Das hier ist Joseph Kony
aus Uganda, er ist ein Massenmörder. Er hat eine eigene Armee von
Gotteskriegern. Er handelt nämlich im Auftrag von Gott, sagt er.
Hm. Da kenn ich einige, die im Auftrage Gottes handeln. Ich frage mich,
was es wohl geben würde, wenn ich alle, die im Auftrag von Gott
handeln, in ein Zimmer täte und das Zimmer zumachte.
Wenn ihr mal
sehen wollt, wie sich ein Mensch verhält, der in einen so genannten
Flow kommt, dann schaut euch mal auf Eurosport Snooker an und achtet
auf Ronnie O'Sullivan. Kurz bevor er in den Flow-Zustand kommt, hat
er manchmal kurz einen Gesichtsausdruck, der zwischen Lächeln und
Arroganz zu liegen scheint. Dann kommt der Punkt, ab dem er die nächste
rote Kugel schon spielen will, bevor der Schiedsrichter die Nicht-Rote
wieder an ihren Platz gelegt hat. Er wird dann sehr schnell, er kalkuliert
nicht mehr, sondern spielt nur noch. Es
ist faszinierend, das zu beobachten.
Eine junge Frau
hat sich das Leben genommen, aus Angst
vor dem schwarzen
Loch, das Physiker in der Kernforschungsanlage CERN
bei Genf als Versuch mit dem Teilchenbeschleuniger erzeugen wollen.
Ist es nicht ganz erstaunlich, mit welchen Gegebenheiten Menschen ihr
Unglück erklären?
Erinnert ihr
euch noch an den Millennium-Bug?
Hat's ja auch nicht so gebracht. Aber: Alle Jahre wieder ist das Ende
nah, vor allem am 30. Mai.
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Als ich eben bei meinem Lebensmittelhändler
war, Edeka, wurde ich von seiner Bedudelungsanlage gefragt: "Kennen
sie das auch, dieses geblähte Gefühl? Dann nehmen sie Aktivia!"
Also abgesehen davon, dass ich das Konzept, wann immer ich etwas habe,
etwas zu nehmen, fragwürdig finde, und abgesehen auch davon, dass
das eine oder andere geblähte Gefühl auch schon mal von der
Qualität von Lebensmitteln oder von dämlichen Fragen herrühren
kann, und darüber hinaus davon ab, dass ich nicht unaufgefordert
bedudelt werden will, frage ich mich, was es meinen Lebensmittelhändler
angeht, was für Gefühle ich so kenne! Zudem hätte ganz
sicher ich mehr Grund, ihn zu fragen, ob er zum Beispiel das Gefühl
kurz vor dem Orgasmus kennt, weil ich dann vielleicht nicht mehr bedudelt
würde, würde es dann aber lieber doch nicht wissen wollen,
nachher sagte er's mir noch, als dass umgekehrt er mich fragt, weil
das zur Konsequenz haben könnte, dass er nicht mehr mein Lebensmittelhändler
ist.
So wie es eine Reihe von
Leuten gibt, die nicht mehr einkaufen in Geschäften, die den Deppenapostroph
im Titel haben. Der Kaufmann hat seine Griffel zu lassen von Dingen,
von denen er nichts versteht und die ihn nichts angehen. Und vor allem
soll er nicht versuchen, mir zu nahe zu treten.
Darüber
hinaus ignoriere ich, dass der Duden inzwischen "Willi's Würstchenbude"
und "der Virus" akzeptiert, wenn er nicht zugleich seinen
Deppenkonformismus eingesteht und den Dichterfürsten "Göte"
schreibt und das, was er uns schlägt, einen "Rütmus".
Danach dauert's nicht mehr lang, und ich gehe, nachdem ich ein Antibiotika
genommen habe, in die Botschaft und bestell' mir ein Visa für Amerika.
Ist doch eh schon wurscht.
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Durs Grünbein
auf die Frage: „Wann stehen Sie eigentlich auf?“
Ich stehe niemals
auf.
Wer aufsteht, hat verloren.
Das Bett, die Wiege der Erkenntnis,
nehm ich mit.
Den Tag durch träumend,
scheinbar wach.
Man hat mich ungefragt geboren,
und niemand fragt mich, ob ich sterben will.
So leb ich hin,
und bald ist es vollbracht.
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Obama wird vereidigt, und
die raffgierigen Hütchenspieler, die uns die größte
Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren beschert haben, inklusive vieler
privater Bankrotts, diese 30jährigen Schnösel wagen es, die
Aktienkurse immer noch weiter in den Keller rasseln zu lassen? Diese
Rotzlöffel schämen sich immer noch nicht? Sie reißen
immer noch das Maul auf? Buy or jump, you fuckers. Und verkauf deinen
verdammten Porsche.
Die Sakramente der Pius-Bruderschaft
des Marcel Lefebvre werden jetzt doch vom Vatikan anerkannt (Siehe B-Loq4,
29.11.2008). Irgendwie wissense ja jetzt doch nicht so genau, wasse
wolln, wa! Und ich frag mich noch, auf wessen Wort Petrus nu hören
soll! Also! Dafür halten die Piusbrüder die Juden für
Gottesmörder. (Is mir neu, dass man Götter ermorden kann.)
Und das ist jetzt wieder für den Papst ein Schlamassel. Ja leck
mich doch.
Schönes Kind vom Land
der Schwaben,
du darfst dich jetzt am Kaiser laben.
Doch wehe, wenn du dich am Papst
labst.
„Der Kleine
hat so einen starken Willen, ich weiß gar nicht, wie ich ihm den
brechen soll.“ (Über einen Zweijährigen) Abgesehen von
der martialischen Implikation ergibt sich die Frage, wie jemand überhaupt
zu einem starken Willen kommt und wie viel sich ganz allgemein von der
Perspektive ableiten lässt. Die Definitionsmacht des elterlichen
Blicks.
Er schreibt Rebel, vier bis
fünf Mal und mannsgroß, und meint Rebell. Nun könnte
man fragen, was ihm die Orthographie soll, aber am Ende weiß er
so wenig, wogegen er rebelliert, wie er weiß, wie man’s
schreibt. Er meint vielleicht was Gutes für uns alle, so Weltfrieden
oder soziale Gerechtigkeit und so, aber ich traue ihm nicht mehr, da
er es mit Spraydose geschrieben hat und so seinen Egoismus dokumentierte.
Der Rebel in Spray, irgend so eine Art von Käsereibe, hat nicht
drüber nachzudenken gelernt. Maulheld. Lausbub.
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Die folgenden Namen der bankangestellten
Zocker, Steuergeldentnehmer und Wertevernichter entnehme ich dem Spiegel
4/2009:
- Boaz Weinstein (New York)
- Richard Carson (Deutsche
Bank)
- Nino Kjellman (Deutsche
Bank)
- Andrew Kent (Deutsche Bank)
- Hugo Bänziger (Deutsche
Bank)
- Anshu Jain (Deutsche Bank)
Für das Versagen dieser
Ganoven und Spieler arbeite ich. Deren Verantwortungslosigkeit wird
von meinen Steuern mitfinanziert und damit unseren Kindern vorenthalten.
Und das Geld wird von Politikern weitergereicht, die blöd genug
sind, denen das Geld zu geben, die dann das gleiche Spiel noch einmal
versuchen werden. Es glaubt doch keiner im Ernst, dass diese sogenannten
banker inzwischen Verantwortung gelernt haben. All deren Handeln breitet
sich aus die der Geruch von warmer Kacke, die dem Körper eines
Mitreisenden entquoll.
Diese selbsternannten Masters
of the Universe von der Wallstreet und aus Frankfurt sind nämlich
kleine Großkotze. Mit schniekem rosa Krawattchen und veritabler
Tussi.
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Wenn Du das Richtige gefunden
haben wirst, wirst Du es daran erkennen, dass es ganz leicht geht und
dass Du erfolgreich bist.
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Ich verfluche die Händler des Todes. Zwei von den drei totgebombten
Kindern haben noch Windeln an. Ein Kopf ist verbunden, eine Kinderhose
ist voller Blut. Es war ja nie anders. Die letzten Tage der Menschheit
sind vorbei. Der Tod durch die Maschine ist da. Er ist da. Dies ist
für
From too much love of living,
From hope and fear set free,
We thank with brief thanksgiving
Whatever gods may be
That no life lives for ever;
That dead men rise up never;
That even the weariest river
Winds somewhere safe to sea.
Then star nor sun shall waken,
Nor any change of light:
Nor sound of waters shaken,
Nor any sound or sight:
Nor wintry leaves nor vernal,
Nor days nor things diurnal;
Only the sleep eternal
In an eternal night.
Swinburne
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Wie ist das mit dem Austoben
von Emotionen: wirkt es kathartisch oder anstachelnd? Wenn man also
Kinder in ein Tobezimmer schickt (oder ihnen Videos zeigt), sind sie
danach ruhiger und ausgeglichener oder gewaltbereit und aufgeladen?
Und wie ist der Unterschied zu den Erwachsenen? Wenn es aber einen
gibt, was ich vermute, wo ist der Wendepunkt? Ab wann wirkt das auf
Kinder nicht mehr beruhigend, sondern aufputschend? Wir wissen doch:
einer in einer Menschenmenge, der Feuer oder Wut schreit, und die
ganze Herde tobt in Panik oder Hass. Wo also im Leben (Pubertät?)
ist der Wendepunkt und wie ist die zeitliche Dimension zu erklären?
Wenn also solche Musikstücke
von David Bowie, die ich beide als sehr aggressiv empfinde, eine emotionale
Wirkung über Klang, Rhythmus, Text und Harmonien haben, dann
wirkt das zunächst einmal aufrührend, aber über gewissermaßen
erledigte Energie mit zeitlicher Verzögerung auch reinigend.
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Wie macht
man einen Menschen klein und schwach?
- Durch Kränken,
Verletzen, Mobben, seinen Geschmack für schlecht erklären
- "Das
kann ich genauso gut wie du oder besser als du oder deine Freunde."
- "Das
kannst du nicht, das weißt du nicht, da bist du falsch" -
So weit
ist das ja klar. Keine neuen Informationen. Aber nun:
- "Ich
kann das nicht, hilf du mir!"
- "Ich
weiß das nicht, mach du es für mich!"
- "Lebe
mein Leben für mich, entschuldige mich."
- "Mach,
dass ich mich nicht klein und schwach fühle."
Das damit
vermittelte Gefühl der Größe (immerhin wird man zum
Helden des Erledigens und der Kompetenz) ist auf lange Sicht, das
heißt über Wochen oder Monate, eine Verzerrung: indem ich
für den anderen erledige, begebe ich mich auf die Ebene seiner
Schwäche. Es gibt für den Starken und Freien keinen Anlass,
langsam, klein und schwach zu sein. Der Adler, der sich einen Pinguin
ans Bein ketten lässt, behindert sich, fördert aber nicht
den Pinguin. Nichts gegen Pinguine, aber sie fliegen nun mal nicht.
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Eine Geschichte, die mir ein Student geschickt
hat (Danke, Manni):
Der Sprung
in der Schüssel
Es war einmal
eine alte chinesische Frau, die zwei große Schüsseln hatte,
die von den Enden einer Stange hingen, die sie über ihren Schultern
trug.
Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, während die andere
makellos war und stets eine volle Portion Wasser fasste. Am Ende der
lange Wanderung vom Fluss zum Haus der alten Frau war die andere Schüssel
jedoch immer nur noch halb voll.
Zwei Jahre lang geschah dies täglich: die alte Frau brachte immer
nur anderthalb Schüsseln Wasser mit nach Hause. Die makellose Schüssel
war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung, aber die arme Schüssel
mit dem Sprung schämte sich wegen ihres Makels und war betrübt,
dass sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie
gemacht worden war.
Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach
die Schüssel zu der alten Frau: "Ich schäme mich so wegen
meines Sprungs, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer Wasser läuft."
Die alte Frau lächelte. "Ist dir aufgefallen, dass auf deiner
Seite des Weges Blumen blühen, aber auf der Seite der anderen Schüssel
nicht? Ich habe auf deiner Seite des Pfades Blumensamen gesät,
weil ich mir deines Fehlers bewusst war. Nun gießt du sie jeden
Tag, wenn wir nach Hause laufen. Zwei Jahre lang konnte ich diese wunderschönen
Blumen pflücken und den Tisch damit schmücken. Wenn du nicht
genauso wärst, wie du bist, würde diese Schönheit nicht
existieren und unser Haus beehren."
Jeder von uns hat seine ganz eigenen Macken und Fehler, aber es sind
die Macken und Sprünge, die unser Leben so interessant und lohnenswert
machen. Man sollte jede Person einfach so nehmen, wie sie ist und das
Gute in ihr sehen.
Also, an all meine Freunde mit einem Sprung in der Schüssel, habt
einen wundervollen Tag und vergesst nicht, den Duft der Blumen auf eurer
Seite des Pfades zu genießen.
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Ich finde die Beobachtung
erstaunlich und irritierend, dass es in jeder hinreichend großen
Stadt einige herausragende und besonders auffallende Typen gibt, die
sich wiederholen. Wir können nach ihnen suchen. Beispielsweise
nach dem depressiven Raucher, dem geschniegelten Selbstüberschätzer
mit Strichbart, nach der Lehrerin mit der Lunte am Kopf und so weiter.
Es gibt schon Karrikaturen davon. Aber das sind nur die, die auffallen,
die wir uns merken, weil sie auf irgendeine Art besonders sind. Natürlich
führt das zu Fragen wie:
- Auf welchem kulturellen
Hintergrund wiederholen sich diese Stereotypen?
- Wie lang ist der Weg zur
Individuation?
- Wie einzigartig bin eigentlich
ich? und:
- Wo
ist eigentlich mein Double?
Das ist dann allerdings
schon wirklich eine Kardinalkränkung des Narziss, der doch auf
seiner Einzigartigkeit besteht. Das macht die Irritation aus.
Und doch gibt es Menschen,
denen es Erleichterung bedeutet, zu wissen, dass sie mit scheinbar
einzigartigem Leid nicht allein sind.
Jetzt verlangt
also dieser christliche Bischoff Beweise für den Judenmord, den
er laut FAZ "in Abrede stellt". Und nun müsste man ihnen
entgegenhalten, dass die Beweise existieren, und dass in Abrede stellen
in Deutschland keine Straftat ist. Statt sie zu ohrfeigen, was sehr
wohl eine Straftat ist. Diese Infamie begeht noch jede Schweinerei in
der Überzeugung, nicht ertappt werden zu können. Und doch:
an ihrem Tonfall könnt ihr sie erkennen. In Abrede stellen.
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Bei Dieter Bohlen treten
junge Leute auf und singen, die das nun wirklich unterlassen sollten,
und man fragt sich, was die für Eltern haben oder ob die keine
Freunde haben, die sie warnen könnten. Und bei offiziellen Festlichkeiten
wie der Berlinale und anderen Hopsereien treten vierzig bis fünfzig
Jahre alte Frauen mit Botox-Gesicht auf, bei deren Anblick der Eindruck
entsteht, die haben nur Feindinnen, denn keine hat ihnen gesagt, dass
diese Leichenhaftigkeit, die Gesicht zu nennen eine Frechheit ist, nicht
vorgezeigt werden sollte. Und dann erfahre ich, dass die sich im Rudel
mit Botox abspritzen lassen. Ha!
Botoxpartys
gibts wirklich und sie ekeln sich nicht. Nee, Jungs und Mädels,
ihr irrt euch, so wird das nichts, und "ein kleines Stück
Glück" wurde auch nicht verkauft, sondern ein einziger großer
Beschiss, den man euch umgedeutet hat zu Glück. Da seid ihr mit
eurer Suche auf der völlig falschen Spur, und da ihr dort auch
nicht mehr runterkommen werdet, könnt ihr eigentlich auch gleich
aufhören.
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Zeit
Sehr viele Probleme haben wir deshalb, weil wir nicht rechtzeitig aufhören.
Und stattdessen weitermachen wie bisher. Zwar rechtfertigen wir es damit,
dass der, die oder das andere ja auch immer weitermacht, aber das ist
Kinderei und bezieht sich auf den unbeeinflussbaren Anderen.
o Ermahnen der Kinder? Lass nach!
o Einklagen beim Partner? Hör auf!
o Herumärgern mit Dir selbst? Vergiss es!
Das sind bewährte Strategien, ein Problem zu erzeugen, zu verewigen,
auszubauen und zu vertiefen. Nach der zweiten erfolglosen Wiederholung
wissen wir, dass dies nicht funktioniert hat und auch nicht funktionieren
wird. Die Klage, das habe ich doch schon hundert Mal gesagt oder versucht,
verweist auf die unkritische und eingeschränkte Selbstwahrnehmung
des Klagenden. Die nahe liegende Frage, ob er nicht vielleicht einen
Sprung in der Schallplatte habe, stellt sich kurioserweise nicht.
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... und dann fing er an zu
sprechen: er erzählte von seinem Leben, seiner kränklichen
Mutter, seinen unendlich vielen Geschwistern, seinem Vater, wie es alles
war und wie es hätte sein sollen, was gewesen war und vor allem
was nicht, nichts anerkannt, nichts erkannt, nichts belohnt, ohne Punkt
und Komma, alle verweigerten Lieben und abgelehnten Anträge, verewigt
im schmerzenden gläsernen Herzen, alle Misserfolge, Ruine und Niederlagen,
Vernachlässigungen von allen Seiten, die Verluste, Versagungen,
so viel Fehlen, so wenig Etwas, so viel Nichts, ein Defizit nach dem
anderen in einer einzigen, traurigen Reihenfolge, schwer von Sehnsucht,
kleinen cojones,
dicken Hoden und unkontrollierbaren Händen, alles in einem schwiemelnden,
leiernden Monolog, einschläfernd und müd, die Augen werden
schon schwer, es fällt noch schwerer, um der Höflichkeit willen
aufmerksam zu bleiben, und dabei war das erst der Anfang, denn jede
einzelne Niederlage zog einen ganzen Weichselzopf
an Gedanken, philosophischen Erwägungen, Aussagen über den
Charakter des Lebens an sich, Erkenntnisse und salbungsvolle Sätze
auch voll mit tiefem Sinn, "mir wurde die Erkenntnis" unter
Verlust auch noch jedes letzten Verbes, dt. Tuwortes, nur noch Hilfskonstruktionen,
kein Handeln, kein Aufbegehren mehr, nur noch müde Resignation,
wie es ist und wurde, Erklärungen und unwiderlegbare Begründungen,
unabweisbare Zusammenhänge, lange verzopfte Worte und gewagte Konstruktionen,
und da dieses Leben in sein vorvorletztes Jahr ging, war auch an eine
Fortsetzung auf der Seite des Gewinns nicht mehr zu denken, geschweige
denn an einen Neustart, so viel Narbe, so viel Verlust, ich werd gleich
weich, das Leben als Prinzip des Versagens und als Abfolge von Schmerzen,
alles ein ungutes vor-sich-hin-Treiben von Wärzchen, Hügelchen
und Huckelchen, Gift- und Schimmelpilzchen, üblem Wuchs und dumpfem,
kriechendem Getier und anderen hässlichen Auswüchsen, es ist
ein solcher Jammer, ich armes, blindes Würstchen, ochottochottochott
(der kam dann plötzlich auch noch ins Spiel, Gott hat einen harten
linken Haken (das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen)), was soll
ich nur machen, ich weiß ja gar nicht weiter, ich glaub, ich stürbe
gerne, jammer, seiber, Tränentier.* Uiuiui.
Dazu möchte
ich einen Rucksack zeigen:
Der Mond ging schon in's
Meer,
Müd sind alle Sterne,
Grau kommt der Tag daher -
Ich stürbe gerne. (Nietzsche)
*das ist tatsächlich nur ein Satz, wenn auch ein sehr langer.
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Spiegel-Online,
am 21.2.2009: In dieser unseligen Tradition steht auch der Militärkaplan
Cristian von Wernich. Der deutschstämmige Geistliche wurde vor
anderthalb Jahren in einem Aufsehen erregenden Prozess
(in Argentinien) wegen mehrfachen Mordes verurteilt: Während
der Militärdiktatur war er bei Folterungen von Regimegegnern dabei
gewesen und hatte die Schergen der Junta gesegnet. (Was
et nich allet jibt: Militärkaplane, Motorradpfarrer, Nudistenpriester:
es ist unwürdig. Dieser aufgeblasene Popanz. Und dann Kirchensteuer,
wa!)
Es
beginnt ein neues Zeitalter:
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... dann haut er
ihr eins rein, dann blutet sie, dann tut's ihm leid, dann versöhnen
sie sich wieder. |
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... dann haut er
ihr wieder eins rein, sie blutet stark, dann tut's ihm wieder leid, er
entschuldigt sich und dann versöhnen sie sich wieder. ... |
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Prognose gefällig? (Der
Schwachsinn zur Kunstform erhoben? Das wolln wa doch mal sehn, ob wa
das nich bewältigt kriegen. Also:)
... er haut ihr wieder eins
rein, sie blutet und heult stark, dann tut's ihm wieder leid, und? sie
versöhnen sich wieder. ... (Forts. folgt.)
Tja, und was
soll ich sagen? Er haut ihr eins rein, sie heult und blutet aus der
Nase, ihm tut's leid, und dann versöhnen sie sich. Wieder.
Damit dies hier
nicht zu öde wird, möchte ich heute ein Bild aus dem Zen-Buddhismus
zeigen.
Eine Kalligraphie
des Kreises, Symbol der Leere und der Vollendung.
Dies ist keine
Metapher, kein Platzhalter, nicht etwas anderes als es ist, es steht
für nichts anderes, es ist nichts. Satori, das Erwachen, der Donnerschlag
in der Leere, ist eine Metapher, ein Wort. Enso, der Kreis, ist ein
Kreis, und sonst nichts. Die Schulen, der große und er kleine
Wagen, sind nichts. Sitzen bis die Hämorrhoiden bluten ist nichts.
Dies ist ein Kreis ist ein Kreis ist ein Kreis. Iss deinen Reis und
trag deine Kleider. Zen ist der weglose Weg, das torlose Tor. Das ist
keine Metapher. Das ist eine Metapher. Das ist nichts. Was der Weg ist?
Er liegt vor deinen Augen. All diese Worte sind nichts. Du kannst es
gar nicht verfehlen, es gibt nichts zu erreichen.
(TS)
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Für alle, die dies schon
heute, am 27.2. lesen: Ich gebe noch eine Prognose ab. Ich wette 100.000,
er haut ihr wieder eins rein, sie wird wieder bluten, heulen, ihm wird's
leid tun und sie werden sich versöhnen. Ihr werdet sehen. Morgen,
am 28.2., melde ich mich wieder. Das zieht sich.
Und nu, heute? Was soll ich
sagen: Er muss ihr ins Gesicht schlagen, sie blutet, er leidet, sie
versöhnen sich. Wie kommt's, dass ich nicht überrascht bin.
War's das?
Und kaum denk ich, na, nu
hat sich's, was les ich? Er hat ihr wieder ins Gesicht gehauen, sie
hat geheult, dann hat's ihm leidgetan, dann hamse sich versöhnt.
Jetzt wurden sie in Florida gesehen. "...herrscht offenbar wieder
eitel Sonnenschein. Gemeinsam soll sich das Paar derzeit in Florida
erholen."
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Soll sich in Florida erholen?
Ich glaub, ich spinne! Ich soll mich in Florida erholen! Aber mir sagt
ja keiner was. Und was ist dann da mit dem Paar, in Florida? Richtig:
Er haut ihr eins rein, sie blutet stark aus der Nase und heult, ihm
tut's leid und dann versöhnen sie sich wieder. Man darf gespannt
sein, wie's weitergeht. Diesmal hab ich echt keine Ahnung. Aber ich
bleib am Ball. Und was dann schon wieder tröstlich ist: media vita
in morte sumus (Mitten im Leben sind wir vom Tode umfangen).
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Tja, so sieht's aus: er haut
ihr eins rein, sie heult, er leidet, Versöhnung. Ob da System drin
steckt? Wer's entdeckt, darf's behalten. Das erinnert mich an: major
e longinquo reverentia (Aus der Ferne betrachtet ist alles schöner).
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Das ist doch nicht zu fassen:
kaum kuckt man mal nen Tag lang nicht hin, schon hamse sich wieder inne
Flicken. Er: haut ihr eine rein. Sie: blutet und heult. Er: leidet und
winselt. Sie: versöhnen sich wieder. Nicht alleine lassen kann
man diese Kindsköpfe. Als hättich nich genuch Ärger am
Hacken. Da muss ich daran denken: ars longa vita brevis (Die Kunst ist
lang und kurz das Leben).
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Oh Mann, ich bin's echt leid.
Manchmal machen die mich nur noch müde. Und dabei hat mich die
Entwicklung total überrascht! Da haut und heult und leidet es,
dass es nur so kracht, und draußen läuft die Welt einfach
weiter. An Kalifornien vorbei. Oder war das Florida. Wie kriegichn das
jetz wieder raus. Schallert ihr eine, die Alte heult, dann tut's ihm
leid und sie versöhnen sich. Knallköppe. Überhaupt: wie
hab ichn mir das vorzustellen, dieses Versöhnen? Machen die da
einen auf Versöhn Versöhn, so voll die Süßlippenarie?
Oder wie? Doch nich das, was ich jetz denke, oder? Jeden Tach? Mist.
Was hier läuft?
Tja, tut mir leid: panem et circenses (Brot und Spiele).
In Spiegel stand
ein Bericht über eine 9jährige Brasilianerin,
die von ihrem Vater vergewaltigt und schwanger geworden war. Wegen der
Risiken hatte sie abtreiben lassen und wurde dann von der brasilianischen
katholischen Kirche exkommuniziert. Beim zweiten Lesen stellte sich
heraus, dass nicht das Mädchen, sondern seine Mutter und das Ärzteteam
exkommuniziert wurde. Nach der dritten Version ist nur noch ein Bischof
empört und bezeichnet den Eingriff als schweres Verbrechen. Demnächst
lässt jemand einen fahren und der Bischof runzelt die Nase. Ich
bin gespannt, wie das weitergeht.
Manchmal finde
ich's schade, dass ich solche Artikel nicht selbst archiviere, sondern
einfach nur die Quelle. So stehe ich jetzt da wie einer, der nicht lesen
kann. Wer hat wohl den Artikel im Spiegel mindestens zwei Mal verändert,
und auf wessen Befehl?
Das dollste
ist ja, dass ich zunächst an meiner eigenen Lesefähigkeit
gezweifelt und diesen Beitrag hier geändert habe. Als aber zwischen
dem zweiten und dritten Lesen, innerhalb von zehn Minuten, gar nicht
mehr von Exkommunikation die Rede war, wurde mir klar: Hier wird manipuliert.
Und das im Spiegel. Wenn ich geglaubt hätte, in den Medien stünde
Zuverlässiges über die Ereignisse der Welt, wüsste ich's
jetzt besser. Diese Inszenierung war aber aus anderem Grunde nur für
mich:
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Es ist interessant,
wie sich in der Erinnerung selbst Geschichten verändern können.
Die folgende ist eine der "Geschichten vom Herrn Keuner" von
Bertolt Brecht, und ich hatte mich so erinnert, dass es eine Geschichte
aus dem Zusammenhang eines Zen-Koan ist.
"Weise
am Weisen ist die Haltung
Zu Herrn
K. kam ein Philosophieprofessor und erzählte ihm von seiner Weisheit.
Nach einer Weile sagte Herr K. zu ihm: "Du sitzt unbequem, du redest
unbequem, du denkst unbequem." Der Philosophieprofessor wurde zornig
und sagte: "Nicht über mich wollte ich etwas wissen, sondern
über den Inhalt dessen, was ich sagte." "Es hat keinen
Inhalt", sagte Herr K. "Ich sehe dich täppisch gehen,
und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst.
Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die während des Redens
schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht."
Irgendwo in
den Tiefen der Medien: TV, Internet, Zeitschriften und Radio steht eine
Kiste mit etwa zweihundert vorgefertigten Sätzen, derer allzu viele
meiner Zeitgenossen sich bei ihren Äußerungen bedienen: Phrasen,
Schablonen, Versatzstücke, deren Einsatzzeitpunkt jeweils feststeht,
wie beispielsweise: "Das geht ja garnicht", der Satz
zur Zeit. Subjekt, Prädikat und Objekt der Sätze können
ausgetauscht werden, dazu reicht allerdings ein Vokabular von etwa zwei-
bis dreitausend Worten aus. Hinzu kommen ca. fünf bis zwanzig Gesichtsausdrücke,
je nach mimischem Talent, und noch einmal zehn Hand- und Kopfbewegungen,
und das ist dann alles. Mit diesem übersichtlichen Inventar an
Ausdrucksmöglichkeiten kommen die meisten Menschen in unserer Gegenwart
durchs Leben. Da können sie überall mitmischen, immer mitreden
und werden verstanden. Mehr brauchen sie nicht, mehr haben sie nicht,
damit bekommen sie alle Konsumgüter, derer sie habhaft werden wollen,
alles, was ihnen zusagt. Das ist die Grenze einer Welt. Man weiß
bereits nach kurzer Übung, wenn man sich dieses Phänomens
erst einmal bewussst geworden ist, welche Phrase mit welcher Bewegung
und welchem Gesichtsausdruck als nächstes kommen wird, das reicht
bis in die Gemütsäußerungen hinein, das Wedeln wie mit
einem Fächer bei Trauer beispielsweise, und der geübte und
interessierte Beobachter , der diese mimische Langeweile aushält
und sie als sozialpsychologisches Phänomen versteht, könnte
Wetten abschließen und würde viel gewinnen. Da sind keine
Überraschungen drin, es ist ganz entsetzlich. Und daher noch einmal:
ich befehle Peter
Bieri: Wie wäre es, gebildet zu sein!
Und
wie ist es unserem Paar inzwischen ergangen? Mal sehen: Aha! Er haut
ihr eins rein sie heult ihm tuts leid sie versöhnen sich. Aha.
So ist das also. Na, wenn das so ist...
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Wir steigen aus den Jeeps
aus, und sofort schließt sich die Wüste um uns herum. Es
ist die Sahara, die einzige und wahre. Wenn wir nicht in diesem Augenblick
die Segnungen der Zivilisation wie eine Leuchtspur hinter uns herzögen,
so wäre dies unser Tod. Die Wüste, und immer noch nur die
östlich vom Nil, auf der Landkarte ein schmaler Strich, haut uns
schon hier ihre furchtbare Unendlichkeit um die Ohren, dass wir ganz
benommen sind und es tatsächlich länger, viel länger
als den touristischen Moment dauert, bis ich realisiere, wo ich bin.
Die Wüste ist zu groß für mich.
Dieser Kinderkram
verfolgt einen tatsächlich überall hin, diese jungen Paare,
die nichts besseres zu tun haben, als sich die Fresse zu polieren, zu
heulen, zu leiden und zu versöhnen. Und was tunse? Just das.
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Vier Stellen aus meinem Roman
"Zorn"
Schicht um Schicht häufte sich die Ausweglosigkeit seiner Situation
auf seinen Geist. Zwischendurch schrie er ein wenig, dann taten ihm
der Hals, der Rachen und die Lungen weh, seine Stimmbänder waren
vom Kreischen lädiert, außerdem hatte er einen Schlauch im
Hals. Und immer wieder schlug die Sucht zu. Schicht um Schicht legte
sich das Grauen um seinen Verstand, und gerade, als er dachte, schlimmer
könnte es nicht kommen, wurde es noch einmal noch schlimmer, nur
dieses Mal wusste er nicht einmal mehr, wodurch. Ebbe und Flut des Entsetzens
kamen und gingen nach eigenen, furchtbaren Monden.
Er wird nicht kommen. Doch, er wird kommen, und dann wird alles noch
schlimmer werden. Der ist Arzt, dachte er in seinem wilden Irrsinn und
meinte, sich deutlich daran erinnern zu können, aber er traute
sich selbst nicht mehr recht. Oder bilde ich mir das ein? Der muss mir
doch helfen. Das wird er nicht. Der ist Arzt. Der kennt sich aus. Der
kann doch so etwas nicht machen. Andererseits, der weiß, was er
tut. Ich werde nicht verbluten. Ich werde nicht verbluten! Mein Gott.
Was wird er mit mir tun? Ich habe keine Chance, ihm zu entkommen. Ich
bin völlig in seiner Gewalt, und der ist mir nicht wohl gesonnen.
Er registrierte nicht mehr, dass er nun schon ununterbrochen schrie
und kreischte, wie ein Vieh schreit, das vor der Schlachtbank steht
und zum ersten und zugleich letzten Mal in seinem Leben den Tod sieht,
und es ist der Tod seiner Mitwesen, und es ist sein eigener Tod, aber
der Tod hört nicht auf, denn alle schreien laut in ihrem Wahnsinn
voller Angst, die sich so potenziert und ausbreitet bis in die hinteren
Reihen. Seine Kehle schmerzte immer mehr. Er nässte und kotete
sich wiederholt ein, er hatte den Überblick verloren. Er hatte
natürlich, vollkommen unerfahren und unvorbereitet, nicht daran
gedacht, seine Urinabgänge zu zählen, um so wenigstens annähernd
ein Verhältnis zur Zeit zu erhalten; aber wer denkt schon an so
etwas in einer Katastrophe von lawinenartiger Gewalt. Dann verlor Steiner
erneut das Bewusstsein für Sekunden oder Stunden. Dann kam er zu
Bewusstsein und schrie weiter. Töte mich, schrie er, lass mich
frei, wo bist Du! Du Schwein, lass mich los! So ging das drei Tage lang.
Steiner lebte und lebte, weder Hunger noch Durst stellten sich ein,
aber er wünschte sich den Tod, immer wieder wünschte er sich
die Erlösung. Es sollte vorbei sein. Es gab keine Bewegung mehr.
An ihrem schlimmsten Abgrund war seine Welt zum Stillstand gekommen
und bewegte sich nicht mehr.
...
...seine Erinnerungen an das Daitokuji durchzugehen, so wie man alte
Fotoalben durchblätterte. Als der auf sein Essen wartete, erinnerte
er sich an das Gesicht von Shokojin Riyoshi.
Es war ein auf den ersten Blick einfaches Gesicht gewesen, und nur
in seltenen Momenten intensiver Begegnung wurden seine Augen nach außen
hin wach, aufmerksam und durchdringend. Shokojin Riyoshi hatte die Fähigkeit,
über lange Zeit unbeteiligt und wie desinteressiert zu wirken.
Oft waren seine Lider halb geschlossen, als sei er in permanenter Meditation
versunken, aber das täuschte. Seine Beobachtungsgabe war außergewöhnlich,
und seine Fähigkeit, aus dem Beobachteten die treffenden Schlüsse
zu ziehen, nahezu ungeheuerlich. Es dauerte sehr lange, bis Sandmann
anfing, zu begreifen, dass diese gelassene Erscheinung Ausdruck war
des Gleichmutes, den Shokojin Riyoshi mit seinen langjährigen Übungen
erreicht hatte.
Er wirkte darüber hinaus wie ein Mensch, der keinerlei Humor hatte,
über Witze nicht lachte und dem jede Lächerlichkeit fremd
war, und erst, als er Sandmann bei einem kleinen Fest zur Kirschblüte
im Kloster vom Gegenteil überzeugte, erst, als Sandmann erlebte,
wie sich sein Lehrer mit Gästen, die zur Feier des Tages gekommen
waren, über irgend eine kleine Bemerkung schier ausschütten
wollte vor Lachen, war er bereit, auch an diese Seite seiner überwältigenden
Persönlichkeit zu glauben. Anders als erwartet war Shokojin Riyoshi
ein ausgesprochen humorfreudiger Mensch, er ließ es nur selten
erkennen und sah wohl auch selten Anlass zum Lachen.
Er war eher zierlich gebaut, aber er hatte einen zähen, widerstandsfähigen
Körper und feste Haut, von den Jahrzehnten des einfachen Lebens
wie gegerbt. Seine Bewegungen waren sparsam und anscheinend mühelos,
von seinen knapp siebzig Lebensjahren war ihm nichts anzumerken, und
Sandmann ging eigentlich stillschweigend davon aus, dass sein Lehrer
mindestens hundert Jahre alt werden würde. Er neigte nicht zum
Gestikulieren. Wenn er sprach, behielt er seine Hände bei sich,
nur manchmal machte er eine kleine Bewegung. Und wenn er sprach, dann
sagte er Dinge, die Sandmann nahezu wörtlich in Erinnerung behalten
hatte. Selten hatte er das Gefühl gehabt, dass ein Mensch so speziell
zu ihm gesprochen hatte, vielleicht einige Male seine Mutter, als er
noch klein gewesen war, danach aber nicht mehr.
...
Er hatte tatsächlich alles vergessen, er wusste nicht einmal,
ob er sich überhaupt etwas überlegt hatte.
„Lass mich frei.“
„Nein.“
„Was du mit mir tust, ist illegal.“
„Ich weiß.“
„Ich verrate dich nicht, wenn du mich jetzt freilässt.“
„An wen willst du mich denn um Himmels Willen nicht verraten?
Sag doch so was nicht. Ist dir denn nicht klar, wie egal mir das ist?“
„Du verfluchter Schweinehund.“
„Ja.“ Sandmann wartete, dass Steiner mit ihm sprechen würde.
Er ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um sich in seiner Situation
zu sammeln. „Ich hatte dir vor sechs Jahren angekündigt,
dass wir uns wieder sehen. Du warst gewarnt.“
„Was hätte ich denn tun können?“
„Sterben.“
„Gib mir bitte, bitte eine Zigarette.“ Keine Antwort.
Er stand dem Phänomen Gregor Steiner, so wie er es in der kurzen
Zeit erlebt hatte, noch ratlos gegenüber. Jahre hatte Sandmann
darauf verwandt, seine Unbändigkeit, den persönlichen Tod
seiner Familie und seine Wut zu disziplinieren, mit den Ereignissen
umzugehen und fertig zu werden, Steiner hingegen schien die Jahre mit
nichts verbracht zu haben. Er hatte versucht, irgendwie weiterzumachen
mit dem, was er getan hatte. Damit, irgendwie über die Runden zu
kommen. Dabei schien er sich seinen inneren Zuständen völlig
ergeben zu haben, schien dahin zu treiben ohne jegliche Reflexion, ohne
jeden Gedanken. Wie Herbstlaub im Wind. Und wieder fing Steiner an:
„Können wir nicht noch einmal über alles sprechen?“
„Ja. Das tun wir gerade, deshalb bin ich hier. Ich warte. Wir
haben Zeit.“
„Hilf mir. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Das war doch vorauszusehen. Lass dir nur Zeit, du bist erschöpft
und verängstigt. Du musst dich zusammenreißen. Nimm dich
jetzt zusammen.“
„Ich weiß doch nichts. Gnade. Mach mich los.“ Steiner
war kurz davor, zu weinen. Es erschien ihm vollkommen unglaublich und
war ihm ganz unbegreiflich, dass er nichts an seiner Situation ändern
konnte.
„Das kann ich nicht tun,“ antwortete Sandmann. „Außerdem
kann es nicht sein, dass du nichts weißt. Du hattest sechs Jahre
Zeit.“
...
Dann kam alles wieder und er sah Geister und Dämonen kommen, von
deren Existenz und Anwesenheit er bisher nichts geahnt hatte, sie hatten,
so schien es ihm, furchtbare Gesichter, es war nur nicht klar zu erkennen.
Er führte Gespräche über Themen, die er nicht verstand,
hatte das diffuse Gefühl, das Wichtigste immer wieder zu vergessen
oder nicht zu verstehen, obwohl es lebenswichtig gewesen wäre,
alles genau zu behalten; er wusste zwar nicht, warum, aber das Vergessen
konnte jederzeit sein Urteil bedeuten, sein Ende, und dazu war sein
Verhältnis in diesen Momenten überaus diffus: zu sterben wäre
unter Umständen durchaus in Ordnung gewesen, aber er fürchtete,
er würde es nicht erkennen, wenn er tot war, und damit war es sinnlos.
Womöglich endete dieses hier überhaupt niemals. Womöglich
blieb das so für den Rest der Zeit. Die Geister fragten ihn aus,
aber er verstand nicht, was sie hören wollten, verstand nicht einmal
die Fragen. Er wusste nicht, worum es ging. Er spürte eine Allgegenwart
unbestimmter Bedrohungen, nun wieder ohne Gesicht, die sich um ihn herum
aufstellten, je nachdem, wohin er sich gerade wandte, und als er kurze
Zeit später die dazugehörigen Fratzen sah, verstand er das
nicht. Als er sich in sich selbst als in vermeintliche Sicherheit zurückziehen
wollte, fand er das innere Gelände, die Landschaften seiner ranzig
verkommenen Seele, vermint mit den Negativen der scheinbar äußeren
Teufel. Er wusste nun nicht mehr, wo sie waren, ob in ihm drin oder
um ihn herum. Jede seiner Zellen war schon kontaminiert. Die Welt stülpte
sich in einer unbeschreiblich grauenhaften Bewegung in sich selbst zurück,
mit einem Geräusch, das er nie wieder zu hören wünschte.
Es erinnerte ihn an das hundertfach verstärkte Geräusch einer
sich leerenden Badewanne, ein unsinniges Schlurpen. Aber was? Er wollte
laufen und laufen, kam nicht von der Stelle und scheuerte sich den rechten
Arm sowie die Fußknöchel endgültig wund. Was also? Er
verstand nicht, warum er nicht davon kam, spürte nur ein dumpfes
Reißen im Gesicht, das ihn hinderte, wenn ihm auch nicht mehr
ganz klar wurde, woran. Er spürte zwischendurch immer wieder die
Anwesenheit eines furchtbaren, zornigen Gottes und fürchtete sich,
in sein zorniges Gesicht zu schauen.
Dann wechselten die Visionen im Rhythmus seines Herzschlages. Die
Ränder der Dinge veränderten sich, wurden weich vor seinem
inneren Auge, erstarrten tückisch bei der Berührung mit der
Fingerspitze, und sobald er die Finger zurücknahm, wurde alles
wieder weich. So musste und wollte er seiner begrenzten Welt eine Form
geben und konnte es nicht. Er hatte die Herrschaft irgendwo verloren,
aber er ahnte nichts davon, ahnte nicht, wo, dass er sie hätte
suchen können. Oder irgendwo als verloren melden. Nur wo? Und was?
Was gleich hatte er verloren? Zwei um zwei wehte der Wind ihm die Asche
seiner Haare davon.
Und wieder blieb er sehr lange allein und registrierte auch nicht
mehr, dass zwischendurch der Beutel mit der Infusionslösung, die
ihn mit Elektrolyten, Wasser und Glukose am Leben hielt, mehrfach ausgetauscht
wurde. Seine Infusion, seine Nabelschnur zur synthetischen Mutter, Zugang
über ein synthetisches Loch, Nahrung seines widerwärtigen
Erhaltes, Bewahrerin seines ekelhaften und formlosen Grauens.
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Neulich dachte ich so bei
mir: Hm, ich glaub, ich kotz mal wieder; aber wie stell ich das jetzt
an? Und dann dachte ich: Ich hab ne Idee. Und dann dachte ich: Dieter
Bohlen.
Nun hab ich
die beiden, das junge Paar, ja in der letzten Zeit etwas vernachlässigt,
war mir ja auch fast schon wieder lästig geworden. Aber wie ich
so gestern durch die Programme zappe, was soll ich euch sagen: da sind
sie wieder. Und? Genau: er schallert ihr eine, dass sie blaue Äuglein
hat, sie heult sie sich fast aus dem Kopf, da tut's ihm leid, und schließlich
versöhnen sie sich wieder.
Ach, es ist
doch schön, wenn das Leben ein paar Konstanten hat.
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Die Waffenliebhaber (was
es alles gibt) werden ärgerlich über und wehren sich gegen
Gesetze, die den privaten Waffenbesitz verbieten. Wenn die sich mal
so richtig echauffieren, das gibt ein fröhliches Amoklaufen, da
gehen Dinge durch deren Körper, das hatten die schon ganz lange
nicht mehr. Nun wollen sie vernünftige Regeln, was darauf hinauslaufen
soll, dass sie ihre Waffen bei sich behalten dürfen. Wenn diese
in Schützenvereinen organisierten deutschen Menschen von Vernunft
sprechen, möchte ich nicht mehr vernünftig sein.
Aber zurück zu unserem
Paar. Im Westen nichts neues: Reinhaun - Bluten - Leidtun - Versöhnen.
Ist das nicht ein bisschen eintönig, frag ich mich. Bevor bei denen
Neues passiert, muss wohl erst Miami absaufen.
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Ich bekam neulich den diskreten
Hinweis, die Botschaft, die ich mit dem Paar aus Miami vermitteln wolle,
sei jetzt verstanden und verschandele meine Seite. Aber was soll ich
sagen: kaum denk ich mir so, na dann lässt du sie halt machen,
schon geht's wieder von vorne los: die haun sich, bluten, nölen
und heuln und am Ende versöhn se sich wieder. Ja, was soll ich
denn da machen, die könn aber auch nich voneinander lassen. Und
mal im Ernst, die Botschaft würde ich ja nun auch gern mal verstehn.
Aber ich verstehs nicht. Warum machen die das nur. Oder anders: wer
versteht das schon, solche Botschaft! Ich verstehs ja selber nicht,
und die Botschaft sei aber andernorts schon verstanden? Dass es lebendige
Menschen gibt, die sich hauen, die sich nichts daraus machen, dass ihre
Hauereien, ihre die Verderbtheit fördernden Aktivitäten in
den Medien breitgetreten und beachtet werden, dass es solcherart also
Medien und Paparazzi gibt, die so etwas gegen Geld verbreiten, technische
Hochleistungen, um einen intellektuellen Seich zu verbreiten, was dazu
führt, dass Leute, statt das zu Hause zu tun, sich auf dem Petersplatz
in Rom besaufen? Dass es also Menschen gibt, die das völlig unverstellt
konsumieren? Das kränkt mich.
Darüber hinaus lautete
doch meine Ankündigung vom 27.2.: (Der Schwachsinn zur Kunstform
erhoben? Das wolln wa doch mal sehn, ob wa das nich bewältigt kriegen.)
Das wird noch hart für uns alle. Irgendwann geb ich das als Buch
raus, und dann lüfte ich auch das Geheimnis des Wohnortes. Von
diesem Paar.
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Es kann der Beste nicht in
Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, so
sagt man doch eigentlich, aber ich denke gerade: wieso denn nicht! Seit
wann bestimmt mein Nachbar, wie ich lebe, ob im Krieg oder im Frieden?
Zum Beispiel diese zwei Leute, die sich unentwegt hauen, anheulen, drüber
leiden und dann versöhnen: was haben die mit meinem Seelenfrieden
zu tun? Vielleicht bin ich ja gerne gekränkt über mein Unverständnis
und nehme die Gelegenheit wahr, die sie mir bieten. Ist das denn zu
viel verlangt, dass wir Verantwortung übernehmen sollen für
uns selbst, also da, wo es geht? Und dass die beiden Kleinen das nicht
tun, ist ja nun nicht mein Problem, oder? Außerdem: ich hab ja
noch gar nicht angefangen, darüber nachzudenken, was die da eigentlich
treiben, die solln sich nur vorsehen, wenn ich das nämlich tue,
werde ich sehr eigen. Man kann am kleinsten Haken das Kleid einer solchen
ganzen Welt aufhängen.
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Die Übungsleiter und
Trainer des Deutschen Sportbundes opfern ihre Zeit, um jugendlichen
Sportschützen Charakterfestigkeit zu vermitteln. Damit tragen sie
aktiv zur Prävention von Waffenmissbrauch bei. (Der Spiegel 14/2009,
Leserbrief)
Oder wie es in meiner Generation
hieß: fighting for peace is like fucking for virginity.
Und dann gib's
da noch diese zwei junge Menschen, die ein Hauen und Stechen tun, dass
es eine Art hat. Natürlich gibt's Verletzte, vor allem auf ihre
Seite, und daher gips dann Blutergüsse, vor allem im Augenbereich,
aber auch der Oberkörper tut's ersmal nicht mehr. Das tut wiederum
ihm leid, da er sein Weichteil ja nun auch unansehnlich finden muss.
Da tut ihm auch sein Herze weh, und sein Piller, der is nun nämlich
trockengelegt. Da es ihm aber leid tut, tut es ihm nicht so gut gehen,
und daher nimmt sie sich ein Herz und sagt erst sich, dann ihm: Na gut,
versöhn wir uns noch eimal. Aber nur dies eimal. Tut.
Ich finde auch,
es reicht nun langsam. Zumal die Seite hier zu Ende ist. Wer also die
Botschaft weiß, soll sie mir sagen, denn das hier ist ein Rätsel.
Wer hat's gelöst? Vor allem folgendes: Warum gehen mir bei diesen
beiden Leuten immer die Buchstaben verloren, da ich doch einen unerschöpflichen
Vorrat habe! Zum Beispiel das R: Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.
Ich könnte endlos so weitermachen, nur um zu beweisen, dass ich
sehr viele Rs habe, aber das macht nur meine Seite voll ohne Sinn und
Verstand, und man könnte denken, ich wollte Seiten schinden.
Geht es nicht
letztlich immer um den Weg zu uns selbst?
Hier jedenfalls
ist die Verbindung zur nächsten Seite.
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