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Wenn
das mein Leben ist, dann soll's das auch sein.
TS
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Gerade wollte ich fluchtartig
diese Stadt verlassen, da es ja hier keine Ruhe gibt von Leuten, die
sich hauen, dann bluten, schließlich leiden und sich versöhnen,
und schon stelle ich fest: Der Spuk verfolgt mich. Die Geister, die
ich rief, sie kamen, die werd ich nun nicht los. Ich glaube, ich sitze
in einem Alptraum fest, und das wird jetzt immer so weitergehen, und
das bei verschlossenen Türen. Es gibt keinen Ausweg. Wo ich auch
hingeh, die sind schon da. Und wenn ich bis zum Ende der Welt reise,
das bekanntermaßen irgendwo in Straubing liegt: sie sind schon
da! Das nimmt kein Ende. Ich kann mich verstecken, wo ich will, so
schnell laufen wie ich kann, so sehr abschütteln, was da lastet
auf den Schultern der Seele, wie ich nur zu schütteln vermag,
wen treffe ich, wer ist schon da, wer wird immer da sein bis ans Ende
unsrer Tage? Wer? WER? Richtich. Er und Sie. Man kennt sie. Und was
tun sie, während sie da sind, ohne Unterlass und in einer Endlosschleife
gefangen, arme Luder auch sie, Gefangene ihres eigenen Geworfenseins
in die Welt? Was? WAS? Eben: reinhaun, bluten, leidtun, vertragen.
Ohne Gnade und Erbarmen, und während ich genau hinschaue, sehe
ich, dass das nun schon seit Jahren so geht, und ich habe es erst
vor kurzem, am 25.2. nämlich, um
genau zu sein, wahrgenommen.
Wer das versteht, soll
es mir erklären. Ich versteh's einfach nicht.
In diesem
kuriosen, abenteuerlichen Durcheinander, das wir Leben nennen, gibt
es bisweilen wunderliche Stunden. Die ganze Welt kommt uns dann wie
eine Posse vor, deren Witz wir nicht recht einsehen; wir haben nur
den stillen Verdacht, daß all der Unfug auf unsere Kosten geht.
Allerdings bringt uns dann auch nichts aus der Fassung, alles erklärt
sich von selbst. Wir schlucken jede Begebenheit, jedes Credo, jeden
Glauben, jede Weltanschauung, jeden harten Gegenstand, einerlei ob
sichtbar oder unsichtbar, wie ein Vogel Strauß mit robuster
Verdauung, der auch Gewehrkugeln und Feuersteine gierig hinunterschlingt.
All den kleinen Ärger und Verdruss, drohendes Ungemach, Leibes-
und Lebensgefahr, ja selbst den Tod nehmen wir hin als einen freundschaftlichen
Tip, einen vergnügten Rippenstoß, den uns der unsichtbare,
unbegreifliche alte Schalk mit List und Schläue verabreicht.
Diese getroste Verzweiflung kommt uns aber nur in den düstersten
Augenblicken an, nur wenn's bitter ernst wird, und was wir eben noch
zentnerschwer genommen haben, gehört dann auf einmal mit zur
allgemeinen Posse.
Hermann
Melville, Moby Dick
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Gibt es eigentlich eine
Kurzzeitdepression? So etwas über zwölf Stunden? Einen Kurzzeitabsturz?
Wenn ja, dann hatte ich eine: als mir so war, als sähe ich meine
Tochter wieder, mein erstes Kind, das mir durch die menschliche Dummheit,
Gemeinheit und Blindheit entnommen worden ist. Ein so schrecklicher
Abgrund, der sich mir in einer beliebigen Bahnhofsvorhalle entfalten
kann, wenn mir wieder einmal bewusst wird, was dieses Menschenkind
für eine Wunde in der Seele trägt. Diese eigenen grausamen
Abstürze immer wieder, diese Verluste… Ich selbst aber
habe es so gewählt, als ich beschlossen habe, dass diese Wunde
nicht heilen soll, weil mir die Lüge zwei wahre Kinder aus dem
Herzen gerissen hat und dass so etwas nicht verheilt. Diese Wolfsburger
johlende Mischpoke! Vor über zehn Jahren haben diese dummen Menschen,
die lügen und behaupten, meinen ersten zwei Kindern am nächsten
zu stehen, mich verleumdet, haben behauptet, ich hätte meine
Kinder, beide!, sexuell missbraucht. Das ist, was sie behauptet haben,
und ich sage, sie haben es gesagt, um mich aus dem Leben meiner Kinder
streichen zu können. Ich glaube, ich sollte mich bei einem Rechtsanwalt
erkundigen, was geschieht, wenn ich ihren Namen hier auf meiner Homepage
preisgebe, wenn ich sage, dass es die Familie meiner ersten zwei Kinder
war, die sich so aus unauslöschlichen Lügen speist. Wie
denn soll man beweisen, dass man etwas nicht getan hat, das keine
Spuren hinterlässt! Aber diese Leute haben es behauptet, und
ich entnehme ihren Reaktionen auf die folgenden Geschehnisse, dass
sie es aus lauter Unwissenheit behauptet haben. Das war Dämlichkeit,
Gedankenlosigkeit, noch dazu seelsorgerisch beraten! (Hallo Wolfgang,
du Priester der katholischen Kirche! Ich vergesse Dich so wenig, wie
du mich vergisst!) Ist denn Dummheit strafbar? Das Ergebnis war die
alsbaldige Trennung meiner Kinder von ihrem Vater, die Verleumdung
ihrer Wahrheit, die Zerstörung ihrer Welt. Diese dummen Menschen
müssen das gewusst haben und das Risiko eingegangen sein. Oder
hat es nicht einmal dazu gereicht? Und nun muss ich damit leben, dass
ein dummes Stück seine dämlichen Experimente mit der Seele
nicht nur irgendeines Menschen macht, sondern mit der Seele meines
Kindes. Meine Tochter war ein Papa-Kind, sie haben keine Ahnung, was
das bedeutet, sie haben es ihr mit ihren verdammten Lügen aus
der Seele gerissen. Kein Schmerz wiegt das auf. Mein Sohn war ein
freundlicher kleiner Junge und sie haben ihn bei der Gelegenheit mit
weiteren Lügen gleich mit auf ihre verlogene Seite geschafft.
Keine Strafe macht das ungeschehen. Und was daraus geworden ist! Manchmal
kann man sehen, wie wichtig ein liebender Vater für seine Kinder
ist. Manchmal steht das Tor zur Hölle im Bahnhof von Bielefeld,
und der Teufel ist ein zufällig herumstehender Sechzigjähriger,
der nichts ahnt und dessen Namen zum Glück nie einer erfahren
wird.
Das ist, was blieb:
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Der Silvio Berlusconi hat
den Obdachlosen des Erbebens in den Abruzzen geraten, den Aufenthalt
im Lager doch wie einen Campingurlaub zu betrachten. Na, das nenn ich
mal Chuzpe. Und die Toten sind dann ein Beitrag zur Rentenversicherung,
oder? Und die Camper, die Angehörige verloren haben? Dazu ein bis
zwei Fragen:
- Ist Körperverletzung
eigentlich in jedem Falle strafbar? Und was steht auf Beleidigung eines
fremden Staatswichtels?
- Wie mag wohl Brechhustendurchfall
mit Bandscheibenvorfall sein? Wär das nicht was für bis indezente
ältere Herren?
Wir sind die Menschen auf
den Wiesen
Wir sind die Menschen im Wald
Bald werden wir Menschen unter den Wiesen
Und werden die Menschen unter dem Wald
Das wird ein heiterer Landaufenthalt.
ernst jandl
Der Sommer
ist die Hölle.
Der Herbst dagegen
ist die Hölle.
Anders der Winter:
er ist die Hölle.
Erst der Frühling
ist die Hölle.
ernst
jandl
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Karen Duve plädiert
im SPIEGEL für eine Welt
ohne Gott, und es ist lesenswert, wie sie das tut.
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Grundeigenschaften eines
psychisch stabilen Menschen:
- Selbstvertrauen,
- den Willen, das eigene Leben
zu gestalten,
- die Bereitschaft, Entscheidungen
zu treffen,
- die Fähigkeit, Verantwortung
zu übernehmen,
- Lust an der Herausforderung,
- Lust am Erfolg und
- Ziele, die das Leben sinnvoll
erscheinen lassen.
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Jetzt hat der Knallkopp aus
Italien den Obdachlosen sogar angeboten, in seinen Villen und sonstigen
Immobilien zu wohnen! Wie bescheuert geht's denn eigentlich noch! Bei
der Gelegenheit traf sich auch das unbehauste junge Paar mal kurz wieder,
zwischendurch, neben allem, was sie sonst so tun, und was tun sie? Richtig,
er haut ihr eine, sie heult wie am Spieß, ihm tut's leid, und
sie versöhnen sich. Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht und
die Gewohnheit nennt er seine Amme. Folgerichtig ist der Lauf der Welt.
Ich sagte doch, das kann man mit normalem Menschenverstand gar nicht
bewältigen, was das bedeutet. Und mir fallen nur ein paar Zeilen
aus Cohens The Guests ein:
and those who dance begin
to dance
and those who weep begin
and those who earnestly are lost
are lost and lost again
So tut jeder seins. Und was
machen wir heute? Obdachlose verarschen? Na, alter Papi Silvio, wenn
das mal nicht ein Plan ist, wa!
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Ich glaube, ich muss von
jetzt an damit rechnen, dass er ihr, daraufhin sie, dann wieder er und
schließlich sie beide an Fahrt aufnehmen. Und Dieter Bohlen singt
dazu.
Ich
1.
Ich
bin ein wenig überrascht, wie schwierig die Antwort zu sein scheint
auf folgende Frage: Was ist das einzige im Leben, das du nicht verlieren
kannst?
|
|
Ich
2.
Falsch: ich
bin ziemlich überrascht darüber, wie schwierig diese Antwort
zu sein scheint. Also, die Frage lautet:
Was
ist das einzige im Leben, das du nicht verlieren kannst?
Also, Antworten
erbeten an Thschnura@googlemail.com. Natürllich ist das kein Wettbewerb,
und es gibt auch keinen Preis, aber es würde mich doch einmal interessieren,
wie die Antworten lauten. Ich werde die Antworten kommentieren, wenn
ihr es erlaubt. Bitte um kurze Erlaubnis dazu.
"Wir
sind diejenigen, die von uns gesagt haben werden: so will ich sein."
Über diesen Satz von Edmund Husserl habe ich am 17.5.2007
(B-Loq1) u.a. geschrieben:
"... die
gesagt haben werden": wann ist das? In zehn Jahren? Oder heute?
Ist es schon geschehen? Edmund Husserl jedenfalls lebte bis 1938. Ist
also schon längst geschehen.
Und am 1.10.2007:
Oder meint dieser
Satz diese Art von nachträglichem Gehorsam, in der ich sage, "so
wollte ich ja sowieso sein", da ich keine Wahl hatte? Hinterher
hat man's vorher schon gewollt? Er ist im Indikativ geschrieben, nicht
im Optativ.
Und heute:
Wer das nicht
glauben mag, möge an die frappierende Vehemenz denken, mit der
selbst Menschen in prekärer Lage auf die eine oder andere Weise
ihren status quo verteidigen, indem sie ihn erklären, rechtfertigen,
begründen, sich zu Opfern machen und auf diese Weise fixieren,
was ist. Gott, das Schicksal, die Gene, die Wahrheit, die Authentizität
im genuinen Elend, der Status als geborener Verlierer, die anderen Menschen:
ach, die Liste ist lang. Aber immer sind es die großen Begriffe,
die jeder Vernunft, der Aufklärung, aber auch der menschlichen
Barmherzigkeit widersprechen. Sie sind unbarmherzig, wo wir der Barmherzigkeit
so bedürfen. So verteidigen wir mit pathetischem Timbre oder großspurig,
jedenfalls aber aus Versehen den unglückseligen Zustand, als ginge
es um unsere Haut, als wollten wir es partout nicht anders haben. Insofern
also ist dieser Satz der schlüssige Beweis für den Konstruktivismus,
der sagt: die Welt ist das, was ich daraus mache.
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Was mich
an Dieter Bohlen so anwidert, ist nicht, dass dieser grenzdebile Wichtigtuer
in seiner kaltherzigen Art wehrlose Leute mit seiner großen Klappe
runtermacht, da stimme ich den Berufszynikern bei, die sagen, dass sie
ja nicht gezwungen werden außer von ihrer ruhmsüchtigen Ahnungslosigkeit,
dass man sie also vor sich selbst schützen müsste. Viel entsetzlicher
ist, dass so ein Bohlen nun schon den Zirkusanteil des cäsareischen
panem et circenses (Brot und Spiele) liefert, dass es also bereits starke
Reize geben muss, um an Bohlens Sendeabenden dann aber schon wieder
zuverlässig die Straßen von aufbegehrenden Menschen frei
zu halten. Dabei interessiert mich noch nicht einmal, ob er überhaupt
eine Ahnung davon hat, dass er mit seinem schlechten Benehmen den Nummernclown
einer Verblödungsindustrie gibt, oder ob er seine ghostwriter-Botschaft
an die Jugendlichen glaubt, dass Leistung zum Erfolg führt, diesen
zynischen Dreck muss er gegebenenfalls mit sich seinem Gewissen oder
dem, was davon blieb, ausmachen. Ich glaube übrigens nicht, dass
er eine Ahnung hat, ich nehme eher an, dass das sein voller Ernst ist.
Diese Entwicklung
deutet darauf hin, und das ist die eigentliche Bohlen-Katastrophe, dass
es nicht dabei bleiben wird,
- dass sich
zunächst vierzigtausend und später zehn ahnungs- und bewusstlose
junge Leute mit immer demütigenderen Auflagen um eine Luftnummer
von Superstar-Platz balgen werden und wir uns unterdessen über
deren Sosein amüsieren;
- dass sich
drei in der Öffentlichkeit um eine Ausbildungsstelle als Friseuse,
Fotograf oder Bäcker zu unserem Vergnügen balgen und wir dies
als das Negativ der Vorgeführten harm- und ahnungslos verlachen,
also im gleichen zynischen Zirkus den erwartungsvoll zahlenden Pöbel
geben,
- dass sich
Mädchen und junge Frauen, abgefüllt mit Barbie-Träumen
und rosa Hello-Kitty-Klamotten, mit totalrasiertem Körper dafür
hergeben, in der Hoffnung, ein Topmodel zu werden, im Bikini und auf
8-cm-Absätzen die Knöchel zu brechen, um am Ende entweder
überflüssige Fummel der Öffentlichkeit vorzuführen,
Werbeikone zu werden (was für ein Ziel) oder wieder in der Versenkung
zu verschwinden,
sondern
dass beide Seiten, Bewerber wie Zuschauer, in ihrem verderblichen und
eskalierenden Tun immer weiter gehen werden. Anstatt hinzugehen und
den Sendeanstalten die Apparate abzubauen.
Im Zirkus
von Rom hat es Blut im Sand der Kampfbahn gebraucht, um die Bevölkerung
zu beschäftigen. Ich prophezeie Blut.
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Ein Werbefuzzi,
Jean-Remy von Matt, nennt die Aufgabe der Werbung: Aufs Herz zielen
und die Brieftasche treffen. Er sagt das sogar öffentlich, im Spiegel:
Wir wollen euer Geld. Für das ihr gearbeitet habt, während
eure Kinder zu Hause angefangen haben, mit Drogen zu experimentieren.
Er ist also ein Zyniker, aber Realist. Und dann sagt er uns: "Wir
haben heute ... einen befreiten Konsumenten." Damit meint er uns,
dich und mich. Uns beide Konsumenten. Du Konsument, ich Konsument. Alternativ:
Verbraucher. Wir sind die Verbraucher. Du und ich im Verbraucherparadies.
Befreit. So sieht diese Versammlung moralisch verkommener Nullnummern
aus Politikern, Erben, Produzenten und Verkäufern uns. Als Verbraucher,
denen sie sogar ein Ministerium spendieren, nämlich das Verbraucherministerium.
Das die Spezies zu schützen vorgibt, von deren Lebenskraft und
Arbeit sie schmarotzen. Und das wir uns also selber finanzieren müssen,
denn die Mischpoke lebt vom Steuereinkommen des Staates, in dem wir
leben. Und heißt es nicht sogar Ministerium für Verbraucherschutz,
damit ihnen nur nicht die Abnehmer ihres überflüssigen Pofels
ausgehen?
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Ich
3.
Was ich nicht
verlieren kann:
mich selbst. Bei mir bin ich in Sicherheit.
Mein Haus,
meine Kinder, mein Glaube: nicht sicher. Meine Erinnerungen: veränderlich,
unzuverlässig. Meine Zuversicht: erschütterbar. Meine Fähigkeiten:
auf Grundlagen angewiesen, die unzuverlässig sind. Was mir bleibt,
bin ich in der Kontinuität der ständigen Veränderung.
Nichts sonst hat sich mir als sicher erwiesen, und daher: mich
selbst. Alle, die mehr wollen, werden enttäuscht, wenn sie
die Leere gespendeten Trostes schmecken; wenn endlich der lang ersehnte
Brief kommt, in dem alles steht, was sie wollten, aber es ist zu spät;
wenn die scheinbar festen Fundamente wegbrechen und sie morgens um drei
Uhr wach werden und ganz allein sind auf der Welt, alles schläft,
einsam wacht, aber da ist keine Hand, nur die eigene. Und das muss jetzt
reichen? Nun, ich finde, das ist mehr als genug. Ich bin immer schon
da. Und habe ich nicht die Fähigkeit, die Möglichkeit, das
Wissen und mich? Und wem das nicht reicht, der hat halt noch was vor
sich, denn auf Jammern hört die Welt nicht.
Mich selbst
kann ich nicht verlieren. Ich bin da, wenn ich erwache, wenn ich einschlafe
und dazwischen. Wenn ich weine, lache, liebe, mich ekle oder aufrege:
ich. Ich schaue in die Welt hinaus und sehe mich. Ich fliehe in den
äußersten Winkel der Welt, um zu entkommen, ich lande in
Auckland, und wer begegnet mir? In den Träumen, in den Schächten
am Grunde der Seele, im ewigen Eis und in der Tiefe der See, am Elphinstone
Reef, in meinen Erinnerungen und Gedanken, in den Tränen meines
Kindes: ich. Ich sehe in deine Augen und was sehe ich? I can see two
tiny pictures of myself, and there is one of them in each of your eyes.
|
|
Ich
4.
Antwort von
Mel:
Die Sicherheit, dass
der eigene Körper stirbt.
Beim geistigen und seelischen Tod bieten Religionen, Hoffnungen und
andere Theorien ja mehr oder weniger umfassenden "Schutz"
vor der Vorstellung, dass das Leben endlich ist. Dass der Körper
nicht stirbt, habe ich jetzt so noch von keinem gehört.
Antwort von
Antje:
...
habe ich mir lange den Kopf zerbrochen, was man wohl als einziges im
Leben nicht verlieren kann und dabei komme ich persönlich zu der
Antwort: "die Verantwortung für das eigene
Denken und Handeln".
Antwort von
Karen:
Das Menschsein
kann ich nie verlieren. Es ist nicht möglich, dass ich als Mensch
abends einschlafe und morgens als Hamster oder als Maiglöckchen
aufwache.
Aber diese Antwort stellt mich selbst noch nicht zufrieden.
- Wenn ich etwas verliere, kann ich es wieder finden.
- Wenn ich etwas noch nie hatte, kann ich es nicht verlieren.
- Wenn ich etwas verliere, fehlt es mir oder komme ich ohne es aus oder
ersetze ich es durch etwas anderes?
- Wenn ich etwas finde, würde ich wissen, ob es mir bisher gefehlt
hat?
Weiß ich vielleicht erst am Ende meines Lebens, was es gewesen
wäre, das ich nie verloren habe???
Antwort von
Lady:
Meine Erinnerungen
und Gefühle.
Das Gefühl der Geburt.
Das Gefühl welches ein
Neugeborenes in den ersten Minuten seines Lebens bei uns Menschen auslöst.
...
Nehmen kann mir auch niemand
meine Erfahrungen. Positive wie negative. Gute wie schlechte. Ekelhafte
wie wunderschöne.
Mein
Kommentar:
Meinen Tod: Aber den habe
ich nicht. Er ist mein bester Verbündeter, er ist mir sicher, er
wartet auf mich (my death waits), aber er gehört mir nicht.
Mein Menschsein: Es ist
vielleicht das, was ich meinte, dann allerdings etwas, das zu verlieren
unmöglich ist, das reine Sein. Was für mich nicht eine moralische
oder ethische Kategorie ist, die uns vom Pferdsein oder Schweinsein
unterscheidet, denn das ethische Attribut des Menschseins verlieren
Menschen immer wieder, indem sie Krieg führen und Menschen foltern.
Und: Mann sein, Chef sein, Vater sein: wenn nur die richtig wüsten
Dinge passieren, wenn die Welt verloren geht, ist es weg.
Die
Verantwortung: ich kenne Menschen, die nicht mehr verantwortlich sind,
weil sie mit Drogen oder Demenz voll und damit nicht verantwortungsfähig
sind. Kann man also verlieren, wenn man nur die richtigen Drogen kennt.
Erinnerungen und Gefühle:
preserve your memories, they're all that's left you? Aber
ach, wenn wir älter werden, wie ändern sie sich und
schwanken in der Erinnerung, so dass wir sie kaum noch erkennen.
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Ich
5.
All unsere
Werte, Sicherheiten, Erinnerungen brechen weg, und was bleibt?
Zufluchten und Zuversicht? Ungewiss. Was ich früher schlimm fand,
ist mir heute egal; was ich früher mein Unglück nannte, war
verfrüht benannt; was mir früher unerträglich schien,
ist mir heute der Anstoß zu meinem größten Triumpf
gewesen. Und, was bleibt? Die Leere und das gezeichnete
Ich.
Wer sind eigentlich immer
wieder all die Leute, die sich bei Prominenten- und Politiker-Fotos
oder Angeklagten-Interviews mit ins Bild drängeln, dann mit vor
dem Körper verschränkten Händen wie Bodyguards aussehen
oder als würden sie beten und sich offensichtlich nicht zu doof
sind, mit kleinen Schritten nach links zu trippeln, wenn die Kamera
nach links schwenkt? Ich finde, man sollte sie viel öfter zeigen.
Dieser suchende Blick über die Schulter des Prominenten: sieht
man mich auch noch, ist doch bedauerlich. Dabei tragen sie jeweils ein
Gesicht zur Schau, dessen einziger Ausdruck das Ich-will-mit-drauf ist,
sowie eine Körperhaltung, die sagt: ich lass mich hier nicht wegdrängeln.
Ich glaube, wenn die Kamera hochschwenkte, die würden sogar hüpfen.
"Der Journalismus dient
nur scheinbar dem Tage. In Wahrheit zerstört er die geistige Empfänglichkeit
der Nachwelt." (Karl Kraus)
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... entwickelten sie eine
Liebhaber- und Luxuskultur, die bewirkt, dass die modernen Leute vor
Brötchentresen hilflose Tänze aufführen, von der Notwendigkeit,
zu zahlen, überrascht werden und dann nicht wissen, wovon sie die
nächste Fettabsaugung bezahlen sollen. Zugleich raubt ihnen das
Gel in den Haaren das verbliebene bisschen Aufmerksamkeit, da sie unentwegt
damit beschäftigt sind, ob die Frisur auch noch sitzt. ...
Ich
6.
Vollständiges
Glück setze voraus, so schreibt der Philosoph Ludwig Marcuse (1856
- 1971), dass der Mensch den Sinn seiner Existenz begreife und darin
Geborgenheit finde; das aber sei unmöglich. - Nein, mein Herr,
ich widerspreche. Glück setzt voraus, dass ich meine Existenz begreife
und darin Geborgenheit finde, in dem Sinne, dass mir klar wird, dass
ich sie nicht verlieren kann. Was auch geschieht, ich bin schon da.
Ich bin der Anfang und das Ende, ich bin der, der nein sagt oder ja,
mit mir wird eine Welt geboren, mit mir stirbt sie. Sie ist da, wenn
ich träume wie auch, wenn meine Adern vor Anstrengung schwellen.
Ganz einfach und ohne jeden Zweifel bin ich immer schon da. Das zu begreifen
ist allerdings offensichtlich auch nicht ganz einfach: "Meister,
was ist Erleuchtung?" - "Iss deinen Reis und trag deine Kleider."
Habe ich es aber erst einmal begriffen, so ist das Akzeptieren der Vergänglichkeit
ganz leicht, ein Quell des Friedens geradezu. Jetzt bin ich hier, später
nicht mehr.
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Es waren (und sind) ernsthafte
Männer mit weißen Bärten, die sich räusperten und
Menschen mit unkonventionellen psychischen Zuständen auf psychiatrischen
Stationen einsperrten und mit unwirksamen Chemikalien und anderen albernen
und gemeinen Therapiemaßnahmen traktierten, bis ihnen einfiel,
nun könnten sie sie, warum auch immer, wieder freilassen. Zu was
solche lächerlichen Männer beiderlei Geschlechts doch nur
fähig sind, und wie ernst sie sich nehmen.
Ich
7.
Wladimir Kaminer hat es auch
schön beschrieben: "Wir haben verstanden, dass ein Ortswechsel
nicht zwangsläufig Glück bringt. Es gibt nur eine Welt, nur
einen Globus, und wo wir auch hingehen, sind wir dazu verdammt, außer
unserem Gepäck auch noch uns selbst überall mit hinzuschleppen,
mit allen Ängsten, Macken und Gefühlslagen. Da bringt ein
Ortswechsel wirklich nicht viel. Besser wird es, wenn man ein wenig
über sich selbst hinauswächst. Wenn man aufhört, sich
nur für sich selbst zu interessieren und die Augen und Ohren freimacht
für das Fremde um uns herum. Das Andere, das tausendmal spannender,
geheimnisvoller, abenteuerlicher und unterhaltsamer ist als das Eigene.
Man muss lernen, die Kokosnuss zu mögen."
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Zwischen Nienburg und Verden
überquere ich eine Schattengrenze, plötzlich tot. Stimmen
und Stirnen wie flüsterndes Stroh, hinten eine Polizeiaktion. Damals,
als ich noch lebte, hat man mich getreten, getriezt und um mein Verdienst
betrogen, selten mal ein nettes Wort. Jetzt, wo ich tot bin, wirft man
mir Lob und Heldenberichte hinterher, aber nun höre ich sie nicht
mehr. Zwischen Verden und Nienburg überquere ich die Schattengrenze
noch einmal, und alles war ein Spuk.
... entwickelten sie eine
Liebhaber- und Luxuskultur, so schrieb ich am 4.6. Das muss für
die armen Leute völlig überraschend kommen, dass sie, wenn
sie beim Bäcker stehen, auch mal drankommen. Dieser Tanz! Dann
lehnen sie sich irgendwie in eingeknickten Knien zurück, um unter
dem horizontalen Glastresen durch den vertikalen zu schauen, deuten
irgendwie hin und her und sagen so Sachen wie "Ich hätt gern,
ich nehm mal von diesem..." deuten "ähm, diesen Dings,"
noch mal deuten, aber die Verkäuferin schaut nur die Kundin an,
nicht den Finger "von den Rosinenbrötchen drei Stück."
Was ist denn bloß los? Ist das zu schwer: "Drei Rosinenbrötchen,
bitte" zu sagen? Und dann erst das Zahlen! Ach du liebe Zeit:
Sie macht das Handtäschchen
auf, sie nimmt das Geldtäschchen raus, sie macht das Handtäschchen
zu, sie macht das Geldtäschchen auf, sie
nimmt ein Geldstückchen raus, sie macht das Geldtäschchen
zu, sie macht das Handtäschchen auf, sie tut das Geldtäschchen
rein, sie macht das Handtäschchen zu. --- So.
Und jetzt kommt das Wechselgeld.
--- Und ich schaue zum Fenster
der Bäckerei hinaus und denke daran, dass meine Kinder auch nicht
ewig jung bleiben, und dass Kinder auch ihren Vater brauchen, und dass
bald Weihnachten ist. Und ob ich noch meine Rente einreiche.
|
|
Männer in kurzen Hosen:
warum lassen sie das nicht!
Das verhärtete und gefühlsreduzierte
Gesicht des 55-jährigen, alkoholkonsumierenden Rauchers, der nicht
einmal für eine auch nur halbwegs erfolgreiche Kommunikation genügend
Informationen mitbringt: Wo es doch wenigstens noch ein Austausch von
Informationen sein könnte, ist es zum Austausch von Versatzstücken
geworden, die auf einem Blatt Papier Platz haben. Da lebt nichts mehr.
Ist lebend tot.
Der wahre Blick auf die Welt,
der mehr zeigt als ein Spiegelbild, kann erst dann gelingen, wenn wir
mindestens einmal bis zum wahren Grund der eigenen Seele abgetaucht
sind und daher keinerlei gefährliches Terrain mehr tragen, das
es zu verteidigen oder zu vermeiden gilt. Wir haben so die Möglichkeit,
absichtslos zu werden. Aber dann ist dieser Blick auch schon bedeutungslos.
Jeder Mensch ist eine Welt.
|
|
Ich
8.
Antwort von
Anke:
Ich kann alles verlieren
und es gibt nichts, was mir wirklich sicher ist.
Mein Kommentar:
Ein interessantes Gegenbeispiel
ist die Vollnarkose oder Bewusstlosigkeit:
Verlieren, einen Verlust
erleiden, bedeutet, ich spüre den Verlust, schmerzhaft und subjektiv,
also mit einem Gefühl für den Verlust. Ein Toter verliert
nichts mehr, obwohl ihm objektiv das Fleisch von den Knochen fällt.
Die Voraussetzung ist also, dass ich am Leben und bei Bewusstsein bin,
also bei mir; wie man über einen aus der Bewusstlosigkeit Erwachenden
sagt, er kommt zu sich. Wenn ich also das Bewusstsein verloren habe,
warum auch immer, dann kann ich in diesem Sinne nichts mehr verlieren.
Will ich also diese Voraussetzung annehmen, dass ich bei mir bin, so
kann ich sagen, dass ich selbst das Letzte bin, das ich verlieren kann,
danach deshalb nicht mehr, weil es danach ein Bewusstsein für den
Verlust nicht mehr gibt.
Ich z.B. habe objektiv meinen
Blinddarm verloren. Sagte jedenfalls der Chirurg. Subjektiv lebe ich
bis heute, als hätte ich ihn noch. Da ich ja, in der Narkose, mich
verloren hatte, habe ich andererseits ihn, den Appendix, nicht verloren.
Was der Chirurg sagt, ist für mich bedeutungslos. (Andererseits
ist mir persönlich mein Blinddarm ziemlich egal, ich komme zurecht.)
Bin ich einerseits bewusstlos, spüre ich andererseits den Verlust
meiner Geldbörse nicht, in dem Sinne, dass er mir nicht zu Bewusstsein
kommt. Phänomen Phantomschmerz: die vielfältig bunte Welt,
Körper inklusive, ist in meinem Kopf, und der setzt Bewusstsein
voraus.
Sollte ich also in die Verlegenheit
kommen, sagen zu müssen, ich hätte mich selbst verloren, so
müsste ich feststellen, dass ich es nicht mehr sagen kann, da es
ja mich, der dies sagen und beklagen kann, wegen Bewusstlosigkeit nicht
mehr gibt. Ich spreche in hier diesem Ich-Dialog also nicht von einem
metaphysischen Trost, an den ich glauben oder nicht glauben kann wie
an eine Religion, sondern von einer subjektiven Tatsache.
Den scheinbaren Widerspruch
von "subjetkiv" und "Tatsache" akzeptiere ich mit
folgendem Hinweis:
In der OP-Narkose hatte ich
allerdings nicht nur das Bewusstsein von mir selbst verloren, sondern
auch das von der ganzen Welt. Bin ich umgekehrt bei mir, so ist die
ganze Welt bei mir. Da dies auch für Dich gilt, ist jeder Mensch
eine ganze Welt. Da, was der Chirurg sagt, bedeutungslos ist, hat die
Welt mit ihren scheinbar objektiven Fakten keine nennenswerte Bedeutung
für uns.
"Vergeh
dich ruhig, vergeh dich an dir selbst und tu dir Gewalt an, meine Seele;
doch später wirst du nicht mehr Zeit haben, dich zu achten und
zu respektieren. denn ein Leben nur, ein einziges, hat jeder.
Es aber ist für dich fast abgelaufen, und du hast in ihm keine
Rücksicht auf dich selbst genommen, sondern hast getan, als ginge
es bei deinem Glück um die anderen Seelen ... Diejenigen aber,
die die Regungen der eigenen Seele nicht aufmerksam verfolgen, sind
zwangsläufig unglücklich."
Sage ich, es
sei von Marc Aurel, so nimmst du es hin. Sage ich es als von mir gesagt,
so streitest du. Wie lange wollen wir eigentlich noch hoffen, dass Papa
kommt und uns über diese befahrene Straße führt!
Worte leisten
manchmal so viel Widerstand, stellen sich so quer und sperrig, tun manchmal
so fremd, als sei ihnen einfach kein Geheimnis zu entlocken. Mit ihnen
dringen wir zum Grunde vor, sie sind die wahren Fahrstühle in die
Tiefe, sie vermitteln uns, was ist und geschieht, wo die realen Kletterseile
nur Abenteuerspielzeug sind. Worte aussprechen, die Menschen berühren;
die im Stellwerk der Seele die kleine Veränderung erzeugen, die
dem Leben eine neue Richtung gibt. In Worte die zu Ende gedachten Dinge
bannen, auch wenn es wehe tut, auch wenn die Konsequenzen finster sind
oder zutiefst verunsichernd. Auch wenn sie einsam machen.
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Es gibt Priester und Bischöfe,
die gegeneinander polemisieren. Die von der einen Kirche gegen die von
der anderen Kirche. Haben die eigentlich sonst nichts zu tun? Müssen
die nicht irgendwie karitativ arbeiten für ihr Geld, Menschen Trost
spenden in schwerer Zeit? Es gibt Pfarrer, die Waffenweihen durchführen,
in allen Winkeln dieser Welt gibt es sie, Nudistenpfarrer, Motorradpriester,
die sich der modernen Zeit angepasst haben, Pfarrer, die die Folterknechte
von Militärregimes segnen, es gibt fundamentalistische Christen,
die im Jemen ihnen unbekannte Menschen missionieren wollen, es gibt
nach wie vor Streit unter diesen Christenmenschen um den wahren Glauben
und die Zugehörigkeit zur wahren oder falschen Kirche. Und es gibt
Dieter Bohlen. Das alles gibt es und es gibt keine Ruhe, sondern es
hat keine Scheu, uns anzuekeln, uns mit dem medialen Auswurf ihres Daseins
zu belästigen. Kann das nicht alles zusammen in einem der hinteren
Täler der Karpaten existieren, wo erschwerte Bedingungen herrschen?
Es ist das alles zusammen eine wirklich ekelhafte Mischpoke, die nicht
mehr tut, als in einer überfüllten Welt den Kot ihrer bedeutungslosen
Überlegungen abzusetzen, ihr schlechtes Benehmen in die Öffentlichkeit
zu halten und zu hoffen, dass eine Kamera auf sie gerichtet ist. I am
the slime oozing out of your tv-set. Es ist ja nun ok, dass es all das
gibt, es kann ja auch noch angehen, dass ich davon erfahre, obwohl das
allein schon eine Zumutung ist; was nun viele Grenzen sprengt, ist die
Tatsache, dass diese Schmerzlosigkeit in salbungsvollem oder wahlweise
rotzlöffeligem Ton versucht, meinen Mitmenschen mit jovialem Augenblinzeln
die Welt und das Verhalten darin zu erklären, den Menschen sagte
ich, mit denen ich dann leben muss. Überall die Schattenbilder
dieser Zweidrittelexistenzen, die sich aufführen, als seien sie
die fleischgewordenen Vertreter der platonischen Ideen. Mein großer
Ärger beruht darin, dass mich dieses Verhalten einsam macht, wo
ich dies nicht selbst gewählt habe: der Schmerz, erleben zu müssen,
dass die Fähigkeit, selber zu denken, aufgegeben wurde zugunsten
wichtigtuerischer Knallköpfe.
Aber endgültig
sämtliche Dimensionen der Selbstüberschätzung werden
gesprengt, wenn ich erfahre, dass es geneigte Mitmenschen gibt, die
mich warnen wollen und bitten, darüber nachzudenken, ob ich hier
nicht ein relativ loses Mundwerk führe und Konsequenzen fürchten
müsste. Wenn ich dann nachsehe und feststellen muss, dass mir der
Gedanke um die Konfrontation zwischen meinen Gedanken und meiner Familie
tatsächlich Kopfzerbrechen bereiten muss, dass ich mir tatsächlich
überlegen muss, was ich hier, in meinen eigenen Veröffentlichungen
äußere und was nicht, weil es unangenehme Konsequenzen haben
könnte, nicht für mich, sondern für meine Familie, weil
dieser aufgewirbelte Jauchehaufen Zores entwickeln und Kischkas absetzen
könnte, dann frage ich mich endgültig, wer in diesem freiheitlich
demokratischen Land eigentlich dem Anschein nach das Heft des Handelns
in der Hand hält. Wie wird denn das wahrgenommen? Sind diese Bohlen
der Inkompetenz inzwischen in der öffentlichen Wahrnehmung dergestalt
überbläht, dass sie im Moment des Platzens den umgebenden
Schamott mit in den Abgrund reißen? Oder bin ich hier ein Protagonist
fremder Hilflosigkeit, einer, der seine Gedanken äußert,
weil andere es nicht tun? Es setzt denen ja nicht nur niemand eine Grenze,
das wird ja auch noch bezahlt.
„Aber
er hat doch so viel Gutes für die jungen Leute getan…!“
Nein, hat er nicht. Umso bitterer aber ist es, erleben zu müssen,
dass so ein Quatsch geglaubt wird. Leuten zu zeigen, dass sich Großmäuligkeit
rechnet und auszahlt, ist ekelhaft und eine Verrohung sondergleichen
– und das ist es, was es alles gibt. Wenn man das Leben nicht
in vollen Zügen genießen mag, weil wir in vollen Zügen
zu dicht aufeinanderhocken, Distanzlosigkeit sich breit macht und der
Mist überschwappt. „Aber ich glaube es halt einfach“,
sagen mir die Glaubensleut der Kirchen, der oben erwähnten. Ja,
das sehe ich schon, und ich bin bereit, einen Glauben zu akzeptieren
(als wenn es das bräuchte), wenn er hinter den Grenzen dessen einsetzt,
was wir wissen können. Insofern aber handelt es sich nicht um Glauben,
nicht um eine Weltanschauung, sondern um ein Wiederkäuen aus Faulheit
oder Feigheit oder schlimmer noch: um ein Kalkül.
Der Himmel derer,
die schon bezahlt haben, Elysium der Alleskönner: hier kriegst
du was geboten, hier wird dir gesagt, wo es zur nächsten Attraktion
geht, Wartezeiten wurden eingeplant, Clowns sorgen für deine Unterhaltung,
Freizeitpark der Gedankenlosigkeit, der Eintritt ist also bezahlt, das
große all-inclusive-paradise, für Übernachtung im Erlebensfalle
ist gesorgt, und was darüber hinausgeht, wird einfach von vornherein
einbehalten. Hier ist alles schon geplant, keine Sorge, hab keine Sorge,
hier wird gelächelt, wie man es für Geld nur kaufen kann.
Hier wirst du mit Meinungen ausgestattet, dass du nicht mehr denken
musst. Der Geschmack, die Vorlieben, die Spiele und Möglichkeiten:
vorgegeben, alles im Angebot, keine Sorge, für Rausch und Vergnügungen
ist gesorgt. Du kannst unter einem bunten Strauß von Angeboten
wählen, lauter attraktive Möglichkeiten, irgendwas wird auch
für dich schon dabei sein, rot oder blau oder warm oder kalt, laut
oder leise, hier kriegst du es geboten. Auf- und abgehen im großen
Fahrzeug ist erwünscht, und sollten einmal kleinere Unannehmlichkeiten
entstehen, so wenden sie sich bitte an unser freundliches Personal,
geschult und ausgebufft, hier muss kein Mensch Mangel leiden, niemand
ist zuständig, das macht sich alles irgendwie so von selber. Hier
gibt es was, was immer Sie wollen, hier ist der Sumpf der sofortigen
Erfüllung. Nur dass der Kerl zwei Sitze rechts von dir schon seit
zwei Stunden seine zwei Meinungen kundtut, dagegen sind wir leider machtlos,
der muss das übrigens so, der ist dafür bezahlt und angestellt,
und bis ans Ende der Höllenfahrt wird er seine Meinung kundtun,
wieder und wieder, und er wird nicht aufhören, und es ist ein Gräuel
im Angesicht des Herrn, und so fährt er mit, und er redet und redet
und tut kund ohne Unterlass. Und nun werden leider auch andere Unzulänglichkeiten
offenbar, dass zum Beispiel deinem Gegenüber die hühneraugigen
Füße zu den Sandalen rauskucken, dass dem da hinten ein Tröpfchen
weiße Spucke im Mundwinkel hängen geblieben ist, das nun
im Wind seiner Äußerungen heraus- und hineinweht, du würdest
vielleicht gerne nicht hinsehen. Und dem da rechts scheint irgendwie
das Gesicht zu zerlaufen, das tut uns jetzt aber leid, wir konnten da
nichts mehr dran machen. Auch das Lachen rechts von dir wird langsam
hysterischer, ist da nicht etwas Gellendes dabei, aber sicher nur vorübergehend.
Nein? Tja. Hier werden Leben von vornherein bestattet unter den Mänteln
der Inkompetenz und Schlampigkeit. Himmel der Feiglinge, Elysium der
Faulpelze und Alleskönner.
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Wer immer also meint, mich
warnen zu müssen, weil mein loses Mundwerk mir Schwierigkeiten
bereiten könnte, warnt im Grunde ja sich selbst, da er das fürchtet,
was geschieht, wenn er tatsächlich einmal tut oder sagt, wonach
ihm im Grunde immer schon ist. Der Impuls muss ja da sein, irgendwo
in der Tiefe, sonst wäre da ja kein Leben.
Und wieder bin nicht ich
gemeint, sondern der Sprecher. Nach
wie vor frage ich mich, ob es ein Kriterium gibt, an dem ich sogleich
erkennen könnte, ob einer nur von sich oder auch von der Welt spricht.
Gibt es Zeichen dafür, dass ein Mensch mindestens einmal zum Grunde
seiner Seele ab- und wieder aufgetaucht ist? In Worte die zu Ende gedachten
Dinge bannen, sagte ich, Geheimzeichen der Kundigen, die sich erkennen,
wenn sie sich sehen.
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Mal was ganz anderes: Warum
kann man wohl so ziemlich jeden Menschen hierzulande mit Verwandtschasftverhältnissen
verwirren? Wer ist der Neffe des Bruders meiner Oma? Mein Vater? (Hab
ich ziemlich lange für gebraucht) Wer ist die Schwippschwägerin
der Tante meines Cousins? Und warum könnte das meine Tante sein?
(Bin ich mir nicht sicher.) Das muss man mal auf einer Party fragen,
wenn sich die Gesellschaft darauf einläßt, ist das Gesprächsthema
für die nächsten zehn Minuten gesichtert. Die Gesprächsbeiträge
kennt man auch schon, nicht wahr? Und je nach Zustand gibt man früher
oder später auf.
Hat hier irgendjemand eine
Ahnung, warum das so zuverlässig funktioniert?
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10 Tage nach einem Streit,
heute nachmittag, werden sie sich wiedersehen. Ihre Prognose zu ihm:
Man redet nicht drüber, also hat's nicht stattgefunden. Interessante
Prognose, denke ich, hängt es wirklich davon ab? Man kann das auch
Verdrängung oder Verleugnung nennen und damit pathologisieren,
aber umgekehrt betrachtet: Man redet drüber, also hat's stattgefunden.
Wenn, ob es stattgefunden hat oder nicht, von unserer Beachtung abhängt,
und das tut es ja offensichtlich, dann ist eine wichtige Fähigkeit
für das Zusammenleben ein kurzes Gedächtnis. Es sei denn,
du willst Ärger. Geben wir der Sache Aufmerksamkeit, dann bekommt
sie Bedeutung, wird wirklich und wichtig.
Die Dinge sind so ernst und
wichtig, wie wir sie nehmen.
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Diesen vier Männern
von Seite 86 des aktuellen Spiegel gefällt nicht, wie ich mein
Leben führe.
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Ich muss vielleicht einmal
ein paar Dinge zu den Herren vom Vortag sagen. Selbstverständlich
kümmert mich nicht, was diesen Männern gefällt. Nur muss
es ihnen ja auch gar nicht gefallen, was ich so denk und tu, es steht
ihnen ja frei, meines abzulehnen. Aber ab wann geht das los, dass es
mich kümmern sollte? Bei jemandem aus meinem Kulturkreis, sagen
wir einem Erzbischoff? Natürlich auch nicht. Dann bei jemandem
aus meiner Stadt? Meinem Haus? Meiner Wohnung? Aber all diese Menschen
gehen eher als ich, sie sind so vergänglich, so flüchtig,
so hauchzart mir beigegeben für eine kurze Strecke gemeinsamen
Weges. Wie lange noch werden sie mich begleiten? Und was ist danach?
Der nächste bitte? Wie gefällt denn Ihnen mein Lebensstil?
Und, was soll ich da machen? Das Problem habe doch nicht ich. Das ist
ganz einfach zu Ende gedacht: Wenn mir irgendwo der Wein nicht schmeckt,
dann trinke ich ihn nicht mehr.
Aus dem Januarheft des Merkur 2008, Nr. 704
Wenn ich erzähle, ich ginge bei meinen Forschungen der Frage nach,
wie Kultur die Männer ausbeutet, lautet die erste Reaktion gewöhnlich:
"Wie können Sie behaupten, Kultur beute die Männer aus,
wo Männer doch alles bestimmen?" Das ist ein berechtigter
Einwand, der jedoch auf dem Fehler beruht, nur nach oben zu schauen.
Richtet man den Blick stattdessen auf den untersten Teil der Gesellschaft,
findet man auch dort meistens Männer. Wer sitzt überall auf
der Welt als Krimineller oder politischer Gefangener im Gefängnis?
Frauen haben niemals einen Anteil von 51 Prozent an den zum Tode Verurteilten
gehabt. Wer ist obdachlos? Wiederum meistens Männer. Wessen bedient
sich die Gesellschaft für niedere und gefährliche Arbeiten?
Eine Statistik des amerikanischen Arbeitsministeriums berichtet, dass
93 Prozent der bei der Arbeit Getöteten Männer sind. Ähnliches
gilt für die im Krieg Gefallenen. Selbst in der heutigen US-Armee,
die viel Wesens davon macht, die Geschlechter zu integrieren und Frauen
an die Front zu schicken, sind die Risiken nicht gleichmäßig
verteilt. Als 2007 die Zahl von dreitausend amerikanischen Toten im
Irak erreicht wurde, waren darunter 2938 Männer und 62 Frauen.
Das ist ein wichtiger erster Hinweis darauf, wie Kultur sich der Männer
bedient. In jeder Kultur gibt es zahlreiche Fälle, in denen Menschen
für gefährliche oder riskante Aufgaben benötigt werden,
und deshalb werden hohe Belohnungen ausgesetzt, um die Menschen zu veranlassen,
solche Risiken einzugehen. Die meisten Kulturen tendieren dazu, sehr
viel mehr Männer für diese Stellen mit hohem Risiko und hoher
Belohnung zu benutzen als Frauen. Ich vertrete die These, dass es dafür
wichtige pragmatische Gründe gibt. Als Folge davon streichen einige
Männer hohe Belohnungen ein, während das Leben anderer ruiniert
oder frühzeitig beendet wird. Die meisten Kulturen schirmen ihre
Frauen gegen dieses Risiko ab und gewähren ihnen folglich auch
nicht die entsprechenden hohen Belohnungen. Ich behaupte nicht, dass
Kulturen dies aus moralischen Gründen tun sollten. Kulturen sind
keine moralischen Wesen. Was sie tun, tun sie aus pragmatischen Gründen,
getrieben von der Rivalität mit anderen Systemen und anderen Gruppen.
Roy F. Baumeister, Wie die Kultur Männer benutzt
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Seit dem 1.8.2009 ist unsere
Tochter Marie bei uns auf der Welt. Das ändert den Lauf der Dinge.
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Meistens misslingen Abschiede, sind eher ein sich aus den Augen verlieren.
"...ein echter Abschied müsste eine Begegnung sein. ... Was
unterscheidet einen ehrlichen von einem feigen Abschied? Ein ehrlicher
Abschied - das wäre der Versuch gewesen, zu einem Einverständnis
darüber zu gelangen, wie es mit uns, mit Dir und mir, gewesen ist.
Denn das ist der Sinn eines Abschieds im vollen, gewichtigen Sinne des
Worts: dass sich die beiden Menschen, bevor sie auseinandergehen, darüber
verständigen, wie sie sich gesehen und erlebt haben. Was zwischen
ihnen geglückt und was misslungen ist. Dazu gehört Furchtlosigkeit:
Man muss den Schmerz über Dissonanzen aushalten können. Es
geht darum, auch das, was unmöglich war, anzuerkennen. Sich verabschieden,
das ist auch etwas, das man mit sich selbst macht. Zu sich selbst stehen
unter dem Blick des Anderen. Die Feigheit des Abschieds dagegen liegt
in der Verklärung: in der Versuchung, das Gewesene in goldenes
Licht zu tauchen und das Dunkle wegzulügen. Was man dabei verspielt,
ist nichts weniger als die Anerkennung seiner selbst in denjenigen Zügen,
die das Dunnkel hervorgebracht haben."
(Mercier, Nachtzug nach Lissabon)
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